Der Meeresbrise-Key

Teil 2

Leron lächelte und hockte sich hin. Er war es gewohnt, dass Diener sich verbeugten, aber doch nicht, dass sie vor ihm auf die Knie gingen. "Komm hoch, Cay!", bat er leise. "So hochgestellt bin ich auch nicht, dass du dich so tief verbeugen musst."

Schüchtern hob Cay den Blick und sah Leron in die grauen Augen. Scheu lächelte er. "Aber Ihr seid mein Holder, also sehr viel höhergestellt als ich, Herr."

"Vielleicht stehe ich ja wirklich über dir", lächelte Leron und legte einen der behandschuhten Finger unter das Kinn des bildhübschen Jungen. "Aber es reicht, wenn du nur den Kopf ein Stück neigst. Ich werde von dir doch nicht mehr Demut verlangen, als von meinem eigenen Diener."

Lächelnd erhob sich Cay und sah seinen Holder offen an. "Wo ist Euer Gepäck, Herr?", fragte er und sah an Leron vorbei, in der Annahme, dass es vielleicht noch vor der Tür stehen würde.

"Ich habe noch kein Gepäck." Leron schloss die Tür hinter sich und trat tiefer in die Gemächer des Jungen. "Ich hoffe, dass mein Diener bald kommt und meine Kleider bringt." Jetzt erst zog Leron die Handschuhe aus und legte sie auf dem Tisch ab, den er jetzt erreicht hatte. "Schön hast du es hier."

Cay folgte seinem Herrn ins Zimmer. "Danke, Herr. Ich durfte mir vieles von der Einrichtung selber aussuchen." Neugierig sah er seinen Holder an. Braune, halblange Haare und wenn er sich nicht versehen hatte, dann hatte sein Herr graue Augen. Auf jeden Fall war er größer als er selber.

"Vorhin war ich noch müde von der weiten Reise und jetzt bin ich munter, ist doch eigenartig, oder?" Fragend drehte Leron sich wieder in die Richtung des Jungen. Tief sah er Cay in die wundervollen blauen Augen.

Cay starrte seinen Holder einen Moment an, dann senkte er schnell den Blick. "Wollt... wollt Ihr vielleicht eine Erfrischung, Herr? Oder soll ich ein Mahl kommen lassen?" Vorsichtig sah er wieder auf, blickte seinem Herrn aber nicht direkt in die Augen.

"Erfrischung klingt gut." Langsam durchschritt Leron den Raum, betrachtete sich die wundervolle Einrichtung und setzte sich dann auf das Sofa, das an der hinteren Wand stand. "Etwas Kaltes zu trinken und vielleicht etwas Kleines zu essen."

Mit einer leichten Verneigung eilte Cay davon, zog an dem Klingelstrang, der neben der Eingangstür hing und nannte dem herbeigeeilten Diener die Wünsche seines Herrn. Wenige Augenblicke später kam er dann mit einem großen Tablett zurück zu seinem Herrn, welches er vorsichtig auf dem Tisch abstellte.

"Setz dich doch zu mir, Cay", bat Leron, der gern etwas mehr über den jungen Mann erfahren wollte. Mit der rechten Hand strich er über den weichen Samtbezug des Sofas und deutete dem Key somit an, wo er sich hinsetzen sollte.

Ein schüchternes Lächeln erschien auf Cays jungem Gesicht und er setzte sich neben seinen Holder. Ein bisschen steif saß er da und wusste nicht, wohin mit seinen Händen, also klemmte er sie zwischen die Knie.

Leron füllte die Gläser mit dem frischen Saft und drückte eines davon Cay in die Hände. "Erzähl mir von dir!", bat er leise.

Erstaunt blickte Cay auf das Glas in seiner Hand, dann sah er Leron an. "Was... was soll ich denn von mir erzählen?", fragte er verwirrt.

"Wo du herkommst? Was du gerne machst? Vielleicht, was du gerne isst und trinkst? Ich würde gerne etwas über deine Freizeitgestaltung erfahren." Durstig trank Leron von dem wohlschmeckenden Saft und naschte an den Weintrauben, die der Diener als Kleinigkeit zu essen mitgebracht hatte.

Cay überlegte einen Moment und trank einen Schluck seines Saftes, um diese Pause zu überbrücken.

"Wo ich herkomme weiß ich nicht genau. Soweit ich zurückdenken kann habe ich immer hier im Palast gelebt. Vielleicht bin ich hier geboren oder ich war noch sehr klein, als ich herkam. Wenn ich ein bisschen Zeit für mich habe, beschäftige ich mich mit meinem Aquarium." Er wies auf das riesengroße Glasbecken in der Ecke neben dem Fenster.

"Die meisten Herren haben mir auch erlaubt, mich darum zu kümmern, selbst wenn ich einen Holder hatte." Der Key hatte Leron angesehen, während er sprach, nun senkte er wieder schüchtern den Blick auf sein Glas.

Leron stand auf, ging zu dem Aquarium und sah hinein. Lauter bunte Fische tummelten sich darin und kamen neugierig an die Scheibe geschwommen. "Das ist schön und natürlich kannst du dich weiterhin darum kümmern, Cay, wäre doch schade, wenn deine Fische eingingen." Langsam drehte er sich um, schaute in die Richtung seines Keys und lächelte ihn offen an.

Dankbar erwiderte der Junge das Lächeln und stand nun auch auf, um neben seinen Holder zu treten. Mit leiser, wohlklingender Stimme erklärte er Leron die verschiedenen Fische und ihre Eigenarten. Er war so bei der Sache, dass er gar nicht merkte, wie er sich langsam in Fahrt redete und einen Teil seiner anfänglichen Schüchternheit verlor.

Aufmerksam hörte Leron Cay zu und betrachtete sich die Fische, die er ihm näherbrachte, ganz genau. "Du hast viel Ahnung davon", stellte er leise fest. "Hast du dir das alles selbst beigebracht oder hat dir jemand dabei geholfen?" Mit sanften Fingern strich er ihm eine verirrte Haarsträhne aus der Stirn und klemmte sie hinter dem Ohr fest.

Lerons Berührung jagte Cay einen Schauer über den Rücken, aber von der angenehmen Art. Wenn sein Herr auch so sanft im Bett war, hatte Cay sicherlich nichts auszustehen. Bis jetzt hatte er eigentlich immer Glück mit seinen Holdern gehabt, aber die Angst, an einen heftigen oder sogar brutalen Herrn zu geraten, blieb immer.

"Ich habe viel über Fische gelesen. Einiges hat mir auch die Herrin erzählt. Sie kennt alle Fische und alle Lebewesen im Meer."

Mit klopfendem Herzen sah er Leron an.

"Ja, die Herrin hier scheint sehr nett zu sein und sie scheint sich wirklich gut um euch zu kümmern." Neben dem Aquarium entdeckte Leron eine Büchse mit Trockenfutter. "Darf ich?", erkundigte er sich und nahm die Büchse an sich. "Oder werden sie immer zur selben Zeit gefüttert?"

Cay schüttelte auf Lerons Frage den Kopf. "Nein, ich füttere sie, wie es sich gerade ergibt. Sie sind ziemlich verfressen und haben eigentlich immer Hunger, egal ob man sie gerade gefüttert hat oder nicht." Er lachte bei diesen Worten. Interessiert sah er Leron dabei zu, wie er das Futter auf das Wasser streute.

"Ja, die Herrin ist sehr nett. Aber sie kann auch sehr unangenehm werden, wenn man ihren Befehlen nicht gehorcht." Mit Schaudern dachte er an die Geschichten, die unter den Keys und Dienern nur flüsternd erzählt wurden. Geschichten von Keys, die zu fliehen versucht hatten oder die sich ihren Holdern verweigert hatten und dafür von der Herrin bestraft worden waren.

"Ehrlich?" Leron stellte die Dose wieder weg und sah Cay fragend an. "Bestraft sie euch dann richtig?" Ein kalter Schauer überzog den Rücken des jungen Adligen. Es gab anscheinend doch immer noch Unterschiede. Bei ihm zu Hause gab es keine Sklaven, sondern nur Angestellte und die wurden einfach entlassen, wenn sie sich etwas zuschulden kommen ließen. "Erzählst du mir davon?"

Unbehaglich sah Cay seinen Herrn an. "Ich... ich weiß nichts genaues. Zu mir war sie immer wie eine Mutter. Aber man erzählt sich, dass vor langer Zeit einmal ein Key versucht hat zu fliehen. Als man ihn wieder zurückgebracht hatte, hat die Herrin ihn in sein Zimmer gesperrt. Was dort geschehen ist, weiß niemand genau. Nur, dass er danach sehr, sehr fügsam war und seitdem auf dem linken Schulterblatt ein Brandmal in Form eines Dreizacks trägt. Der Dreizack ist das Zeichen des Meerespalastes." Cay sah Leron mit großen Augen an. Konnte er ihm erzählen, was er noch gehört hatte? Sein Herr schien ihm vertrauenswürdig und Cay hoffte, dass er sich nicht in ihm täuschte. Mit leiser Stimme, als befürchte er einen heimlichen Lauscher, sagte er dann: "Man erzählt sich, dass die Herrin eine Tochter Tritons, des Meereskönigs wäre. Sie soll sich für das Leben auf dem Lande entschieden haben, obwohl ihr Vater dagegen war. Er soll ihr als Waffe zum Schutz und als Abschiedsgeschenk einen magischen Dreizack gegeben haben."

"Legenden und Sagen", lächelte Leron. "Und keiner weiß, ob da wirklich ein Kern Wahrheit drinnen steckt. Aber der Gedanke ist sicher gar nicht mal so falsch. Deine Herrin hat magische Kräfte, also stammt sie von einer sehr interessanten Linie ab." Noch einmal warf der junge Adlige einen Blick in das Aquarium, ehe er sich wieder dem Sofa näherte, sich hinsetzte und erklärte: "Dann sollten wir deiner Herrin auch keinen Anlass geben böse auf dich zu sein. Es wäre doch zu schade, wenn deine Haut von einem Mal bedeckt wäre."

War das jetzt eine versteckte Drohung seines Herrn? Hatte er etwas vor, von dem er vermutete, dass sich Cay dagegen eventuell wehren würde? Ihm rutschte das Herz in die zartgewebte, weite Hose. Er war ein Key und sein Herr hatte jedes Recht; er konnte mit ihm tun, was er wollte. Kurz atmete Cay tief durch, dann ging er mit leicht zitternden Knien und heftig klopfendem Herzen zu seinem Herrn und ließ sich zu seinen Füßen nieder. Die Hand, die er auf Lerons Knie legte, zitterte auch ein wenig. Mit einem Lächeln, das über seine innere Verfassung hinwegtäuschte, sagte er: "Nein, Herr, ich werde ihr bestimmt keine Veranlassung geben, mich strafen zu müssen."

Er sah die zitternde Hand und bedeckte sie mit seiner eigenen. "Setz dich doch neben mich", schlug Leron vor und zog Cay vom Boden. "Ich bin mir sicher, dass ich mit dir zufrieden sein werde und du wirst sicher auch mit mir zufrieden sein." Offen lächelte er seinen Key an. "Hast du Lust mir alles zu zeigen?"

Gehorsam folgte Cay Lerons Wunsch und setzte sich neben ihn. Dieser hatte seine Hand nicht losgelassen und die Wärme, die sie ausstrahlte, beruhigte Cay. Auf Lerons Frage nickte er. "Wollen wir auf dem Balkon anfangen?" Dann ging ihm auf, dass sein Herr diese Frage auch anders gemeint haben könnte. Unsicher sah er ihn an.

"Zeig mir deinen Balkon und die Orte, wo du gerne hingehst. Ich will doch wissen, wie du hier lebst." Leron erhob sich und reichte Cay eine Hand, um ihn hochzuziehen. "Du hast doch sicherlich einen Ort, wo du dich gerne aufhältst."

Willig ließ sich Cay hochziehen, dabei hatte er jedoch ein bisschen zu viel Schwung, so dass er Leron in die Arme fiel.

Im Reflex fasste Leron zu und fing Cay auf. "Nicht so stürmisch", lachte er auf und stellte seinen Key zurück auf die eigenen Füße. "Nicht, dass du dich noch verletzt und deinen Aufgaben nicht nachgehen kannst." Die Worte waren mit einem Zwinkern an den jungen Mann gerichtet. "Ich will nämlich einiges von dir lernen."

Irritiert blickte Cay seinen Herrn an. "Ihr wollt von mir lernen?"

"Ja, deswegen bin ich hier. Auf der einen Seite war ich neugierig auf diesen Palast und auf der anderen Seite brenne ich darauf zu erfahren, wie es ist mit einem Mann zusammenzusein." Leron zog die Augenbrauen nach oben und sah Cay an. "Hast du ein Problem damit?"

"N... nein, Herr. Es... es ist nur ungewöhnlich." Cay sah Leron erst erstaunt an, dann senkte er den Kopf und lächelte. "Ich werde mein Bestes geben, Herr", sagte er leise. Dann fasste er Leron bei der Hand und zog ihn in Richtung auf die Gardinen zu, die sich in einer leisen Meeresbrise bauschten. "Aber jetzt zeige ich Euch mein Reich", rief er fröhlich.

Leron ließ sich mitziehen und lachte leise auf. Der Junge besaß so viel Elan und Lust und man merkte ihm an, wie stolz er auf sein Reich war. Neugierig sah er sich um und lauschte den Erklärungen. Die ganze Zeit über gab er die Hand seines Keys nicht frei. Es war ein angenehmes Gefühl, die Finger in seiner Hand zu spüren und so strich er ganz leicht mit dem Daumen über den Handrücken Cays.

Eine angenehme Gänsehaut machte sich bei Cay bemerkbar, als der Daumen ihn streichelte. Schüchtern lächelte er Leron an. Ob sein Herr wohl gänzlich unerfahren war? Oder hatte er nur noch keine Erfahrungen mit Männern? Diese Situation war für den jungen Key völlig neu. Er war zwar nicht auf eine Rolle festgelegt, liebte es sowohl zu geben als auch zu nehmen, doch wenn er es sich aussuchen durfte, so bevorzugte er den nehmenden Part, was auch von den meisten Holdern gewünscht wurde. Cay hatte keine Ahnung, wie er vorgehen sollte.

An der Brüstung angekommen, ließ Leron den Blick über die wundervolle Landschaft streifen. Links von ihm lag das Meer und vor ihm breitete sich eine wundervoll gestaltete Landschaft aus. "Ist das ein Wasserfall dahinten?", erkundigte er sich leise und zog Cay etwas näher zu sich. Da sein Key kleiner als er war, schob er ihn vor sich, sah dann über ihn hinweg zu dem glitzernden Wasser und legte die Hände auf die schmalen Schulter vor sich.

Lerons warme Hände verstärkten die Gänsehaut, die Cay erneut über den Körper kroch. Langsam nickte er. Sein Zimmer war eines der am höchsten gelegenen im Palast. Hier wehte ständig eine sanfte Brise. Von seinem Balkon konnte man weit sehen, über den kleinen Wald bis zum Wasserfall, der sich in einen Teich ergoss und ein sehr beliebtes Ziel der Holder mit ihren Keys war. Vorsichtig, fast schüchtern, lehnte sich Cay zurück, bis er Lerons Brust an seinem Rücken spürte. Augenblicklich jagte ein Blitz durch seinen Körper und explodierte in seinem Magen, von wo aus eine warme Welle in seinen Unterleib ausstrahlte. Heftig klopfte sein Herz und seine Finger wurden feucht. Hoffentlich bemerkte sein Herr seine Erregung nicht, denn es wäre ihm peinlich gewesen. Es war seine Aufgabe, seinem Herrn Lust zu bereiten und nicht umgekehrt und er war gerade auf dem besten Wege dazu, diese eiserne Regel zu brechen.

Der warme Körper bescherte Leron eine Gänsehaut auf dem Rücken. Er schlang die Arme um Cay und zog ihn noch ein Stück näher an sich. "Ist das nun ein Wasserfall oder täuscht mich nur mein Auge?" Der junge Adlige hatte sich ein Stück zu seinem Key hinabgebeugt und seine Frage direkt an dessen Ohr formuliert.

"Das... das ist ein Wasserfall, Herr", keuchte Cay leise, denn der warme Atem, der sein Ohr und seinen Hals streifte, bescherte ihm wilde Gefühle. Er schloss die Augen und wünschte sich, dass sein Herr ihn küssen würde. Sachte drehte er den Kopf ein wenig, um es Leron zu erleichtern.

"Können wir dahin gehen oder ist es verboten?" Neugierig sah Leron Cay an und wartete gespannt ab. Er war sich unsicher, was er tun sollte. Sein Key schien auf irgendetwas zu warten und er hatte keinen Schimmer auf was. "Du musst mir schon ein wenig helfen, Cay. Ich habe dir doch vorhin gesagt, dass ich noch nie mit einem Mann zusammengewesen bin."



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