Clan der Könige

Teil 7


"Aber das geht nicht!", protestierte er. Der Agent hob nur bedauernd die Schulter.

"Es tut mir leid, Monsieur, ein bedauerlicher Irrtum. Ich werde Sie selbstverständlich für Ihre Unannehmlichkeiten entschädigen." Friedrich hätte am liebsten die Hand mit dem Geld zurückgestoßen. Er wollte hier weg und nicht das Geld zurückhaben. Der Marktaufseher schaute ihrem Handel mit Argusaugen zu. Sollte sich Friedrich lautstark beschweren, bekam der Agent sicher wegen seines Fehlers eine Rüge. Aber etwas machen konnte dieser auch nicht. Friedrich biss die Zähne zusammen und nahm das Geld zurück.

"Könnt Ihr mir sagen, wo ich heute noch ein Ticket bekommen kann?"

Der Händler überlegte und schüttelte dann mitleidig den Kopf.

"Ich bedaure, mein Herr. Ich weiß keine Kutsche, die heute noch abreist. Morgen früh ist die nächste Möglichkeit." Friedrich dankte leise und zog sich zurück. Er sah noch, wie der Kutscher mit der Peitsche schnalzte und die Gäste einstiegen. Er fühlte, wie sich sein Herz verkrampfte. Panik breitete sich in ihm aus und am liebsten hätte er sich an die Tür gekrallt, um seine Reise zu erzwingen. Er blieb aber still stehen und sah, wie die Kutsche abfuhr, unwiederbringlich, unerreichbar für ihn.

Patrick hatte die Geschehnisse aus einiger Entfernung beobachtet. Mit einem zufriedenen Lächeln wandte er sich ab und suchte sich eine Taverne, um sich ein Frühstück zu gönnen. Der junge Mann saß nun bis zum nächsten Morgen fest, so dass sein Herr Gelegenheit hatte, ihn wieder einzufangen.

Friedrich hingegen war alles andere als gleichermaßen gelassen. Dennoch hatte er Hunger. So packte er etwas Proviant aus und zog sich in eine ruhigere Ecke zurück, wo er seine Situation überdachte.

Er kam zu dem Ergebnis, dass der Comte ihn hier finden würde, sollte er sich auf die Suche machen. Friedrich fiel in diesem Moment ein, dass dieser ihn schon suchen konnte oder er einen seiner Diener losgeschickt hatte, um sich an seine Fersen zu heften. Friedrich sah jedoch niemanden, der seinen Verdacht bestärken würde und lehnte sich noch immer misstrauisch zurück.

Langsam kaute er mit wenig Appetit auf dem trockenen Brotkanten.

Bleiben konnte er hier wirklich nicht. Zu nahe war das Jagdschloss, mit dem Pferd im vollen Galopp waren es nur ein paar Minuten. Er hatte allein zwei Stunden zu Fuß gebraucht.

Friedrich stieß sich von der Mauer ab, die ihm ein wenig Rückendeckung geboten hatte und klopfte sich den Rock ab. Im nächsten Moment wurde er gepackt und zurückgezogen. Von der Heftigkeit überrumpelt vergaß er für einen Moment sich zu wehren, doch dann wehrte er sich um so heftiger. Ein Schlag gegen seine Stirn ließ ihn dumpf hinter einer großen Hand aufschreien, dann wurde es Nacht.

Ein dumpfes Geräusch und ein erstickter Schrei ließ den Kutscher aufblicken. Die Gäste der Taverne hatten nichts mitbekommen, was auch nicht weiter verwunderlich war, da sie nicht über die geschärften Sinne eines Ghuls verfügten. Patrick warf dem Wirt eine Münze zu und verließ eilends die Taverne. Kurz blickte er sich um, dann sah er auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine dunkle Gestalt schnell im dunklen Schatten einer Nebengasse verschwinden. Dort, wo sie eben noch gestanden hatte, lag ein Tuch, welches er bei Friedrich öfters gesehen hatte. Schnell überquerte er die Straße und eilte in die Gasse. Keine zwanzig Schritte vor ihm schleppten drei zwielichtige Gestalten einen schlaffen Körper weg, den er als den Friedrichs erkannte. "Bleibt stehen, ihr Lumpenpack!!", rief er ihnen hinterher und spurtete auch schon los.

"Los, schnell!", hörte Patrick den einen rufen, da war er auch schon bei ihnen.

"Misch dich nicht ein, Freund, das hier ist nicht dein Revier. Wenn du keinen Ärger haben willst, dann hüte dich", zischte der eine von ihnen zwischen schwarzen Zahnstummeln hervor. Der eindeutig Jüngere hatte einen blitzenden Dolch gezückt und hielt ihn drohend gegen Patrick.

"Zieh deiner Wege!", riet dieser.

Breitgrinsend verdrehte der Kutscher dem Jungen mit dem Dolch die Hand, so dass dieser mit einem spitzen Schrei die Waffe fallen ließ. "Sicher zieh ich meiner Wege, aber erst, wenn ich meinen Gespielen wiederhabe." Damit wies er auf Friedrich, der immer noch ohnmächtig in den Armen des einen Burschen hing. Auch ohne die gesteigerten Kräfte, die ihm das Vampirblut verlieh, hätte Patrick diese drei Burschen ohne allzu große Anstrengungen erledigen können.

"Dein Gespiele? Was zahlst du für ihn, wenn wir ihn dir wiedergeben?", verhandelte der Zahnlose, nachdem er anscheinend den unter ihm stehenden jungen Messerkämpfer mit einer Hand zurückgewiesen hatte.

"Wir haben Unkosten zu begleichen und unser tägliches Brot sicher zu stellen. Der Kleine hier hätte uns dazu verholfen. Also nenn uns den Preis, der uns von der Last frei machen wird."

Patrick hörte, dass er anscheinend wirklich in ein Revier eingedrungen war, denn der Alte verschaffte die Zeit, damit die Räuberbande ihn umzingeln konnte, die aus den Gassen und Kellern hervorkamen und in ihrer Zahl noch zum großen Teil von ihm noch nicht gesehen werden konnten.

Er grinste breit. "Wie wäre es, wenn ich euch mit eurer Gesundheit bezahle?", fragte er und trat drohend einen Schritt auf den Rädelsführer zu. "Rück den Kleinen heraus, sonst werde ich ungemütlich. Und deine Schießhunde kannst du auch gleich zurückpfeifen." Seine Stimme war immer drohender geworden. Vorsichtig hatte er unter seinem Kutschermantel nach seinem eigenen Messer getastet. Er besaß einiges an Kräften, aber eine griffbereite Waffe in dieser Situation konnte nie schaden.

Der Alte spürte, dass der Fremde irgendwie anders war. Doch sie waren in der Überzahl und so sah er nicht den geringsten Grund, so leicht den Schwanz einzuziehen und das Feld zu räumen.

"Es tut mir sehr leid, aber das war keine kluge Entscheidung", wisperte er aus einer schwarzen Mundhöhle und kicherte gehässig. Kaum hatte er das gesagt, füllte sich die schmale Gasse mit gerupft aussehenden Gestalten in einem mehr oder weniger guten Gesundheitszustand. Viele waren einäugig, manche hatten offene Beine, diverse Wunden und ausgefallene Haare aufgrund von Krätze. Patrick war unter eine Bettlerbande geraten, die zu allem entschlossen war, ihre Beute zu behalten.

Schnell erfasste er die Situation. Die Gegner waren sehr zahlreich und auch wenn deren Gesundheitszustand alles andere als gut war, so waren sie allein auf Grund ihrer Masse doch überlegen. Das Klügste wäre, wenn er sich zurückgezogen hätte, doch er bezweifelte, dass man ihm dies so einfach gestattet hätte. Außerdem wusste er genau, dass der Comte wenig erfreut gewesen wäre, hatte er Friedrich dem Gesindel überlassen.

Also trat er die Flucht nach vorne an und dem Anführer mit einem gewaltigen Fußtritt in die Kronjuwelen. Als sich dieser keuchend zusammenkrümmte, stürmte Patrick an ihm vorbei auf den Mann zu, der Friedrich immer noch umfangen hielt. Mit einem mächtigen Schlag in den Magen brachte er auch diesen Kerl dazu, sich vor ihm zu verneigen und dabei Friedrich loszulassen. Blitzschnell schnappte sich Patrick den Bewusstlosen, warf ihn sich über die Schulter und zog seinen Langdolch hervor.

"Sollte jemand das Bedürfnis nach einer weiteren Körperöffnung haben, dann soll er nur herkommen", blaffte er und ging langsam rückwärts auf das Ende der Gasse zu.

Drohend bildete sich vor ihm eine Mauer. Langsam kamen die Bettler näher, während Patrick den Befehl des Alten hörte: "Schnappt ihn euch und filetiert ihn!"

Gefährlich glommen die vielfarbigen Augen der Männer. Einige abgerissene Frauen befanden sich darunter, ihre Hände zu Krallen verkrampft. Plötzlich wurden die langsame Bewegung der Menschen durch einen Ausfall nach vorn unterbrochen. Wie wilde Tiere stürzten sich die Bettler auf Patrick.

Ohne darauf zu achten, ob und wen er traf, hieb Patrick mit dem Langdolch um sich und kämpfte sich durch die Masse der Leiber. Die Hiebe und Stiche, die er selber kassierte, ignorierte er geflissentlich.

Wie er aus dem Pulk rauskam, konnte Patrick nicht so genau sagen. Nur auf einmal befand er sich wieder auf dem Markt und die Bettler zogen sich zurück. Friedrich auf seiner Schulter sah nicht besonders gut aus. Er hatte einiges abbekommen und schien gerade zu erwachen. Patrick konnte sich dessen ganz sicher sein, als Friedrich leise stöhnte und die Hand an seine Stirn hob. Dieser war durch seine Lage verwirrt und versuchte seinen schmerzenden Kopf zu heben, um herauszufinden, warum ihm so schwindlig war und er sich offensichtlich nicht auf seinen eigenen Füßen befand.

"Sssch, ganz ruhig, Monsieur Schuster, wir sind gleich in Sicherheit." Patrick bewegte sich schnell und sicher durch die Menge der Marktbesucher, die irritierten Blicke ignorierend. Kaum hatte er die Taverne am anderen Ende des Marktes erreicht, ließ er den jungen Deutschen von seiner Schulter gleiten und setzte ihn vorsichtig auf einen der Stühle. "Oijoijoi, Ihr habt aber einiges abgekriegt." Ohne weiter auf Friedrich einzugehen, rief er den Wirt, orderte Wasch- und Verbandszeug, eine leichte Mahlzeit und Wein. "Der Comte wird nicht sehr erfreut sein, wenn ich ihn so abliefere", murmelte er vor sich hin.

Friedrich sah verständnislos zu Patrick auf, der sich kurzerhand wieder zu ihm herunter beugte und sich die Beule an seiner Stirn ansah

"Nicht frei!", murmelte Friedrich, als ihm endlich die Erkenntnis kam, was der Kutscher des Comte hier zu bedeuten hatte.

"Bitte?" Patrick sah ihn verständnislos an. Er hatte keine Ahnung von den Händeln des Comtes mit seinem Sekretär. Er hatte seine Befehle erhalten, die er nun ausführte. Der Wirt erschien, brachte das Verlange, stellte dann Brot, kaltes Huhn, eine Hühnerbrühe und Wein auf den Tisch und verschwand wieder.

Vorsichtig wische der Kutscher dem jungen Mann den Schmutz aus dem Gesicht, reinigte die Kratz- und leichten Schnittwunden und legte einen kühlen Lappen auf die Beule, die sich mittlerweile prächtig entwickelt hatte.

"Esst, Monsieur Schuster, Ihr habt sicher noch nicht gefrühstückt." Er selber nahm sich von dem Brot und dem Huhn und machte lächelnd eine einladende Handbewegung auf die Speisen zu.

"Ich habe keinen Hunger, Patrick", flüsterte Friedrich niedergeschlagen. Die Wunden brannten ein wenig und seine Beule fing heftig an zu ziehen. Kopfschmerzen hallten dumpf durch seinen Schädel und ließen ihn sich größer anfühlen.

"Habt Ihr den Befehl, mich zurückzubringen? Sagt ihm, dass ich gehen will. Und ich möchte nicht wieder kommen. Sagt ihm das."

Friedrich schob die Hand weg, die wieder einen kühlen Lappen auf seine Beule legen wollte und bei den Worten plötzlich wie in der Luft hängen geblieben waren. Friedrich bemerkte das nicht. Sein Blickfeld schien nur noch einen schmalen Tunnel breit zu sein. Aber es kümmerte ihn nicht. Er wollte weg. So stellte er die Beine beiseite und versuchte sich zu erheben.

"Oh non, Monsieur, Ihr bleibt hübsch hier sitzen, bis Eure Beule sich gebessert hat." Bestimmt drückte Patrick ihn wieder auf den Stuhl zurück und zog die Schüssel mit der Hühnerbrühe heran. "Trinkt ein wenig Brühe, dann geht es Euch gleich besser." In Richtung des Wirtes rief er: "Heh, Wirt, schickt einen eurer Burschen um Laudanum[3] zum Apotheker!"

Friedrich wollte sich gegen den Griff wehren. Doch er merkte, wie er ohne Probleme auf den Stuhl zurückgedrückt wurde.

"Bitte lasst mich gehen!", bettelte er mit wachsender Verzweiflung. Friedrich wollte kein Laudanum. Er wollte einfach nur gehen. Weg von dem Comte, weg von allem. Er sehnte sich nach Hause oder auch nur an einen Ort, wo es nicht so kompliziert war. Sein Kopf schwankte auf dem Hals. Er musste sich bei Patrick festhalten, um nicht zu fallen. Dennoch konnte dieser ihn kaum beruhigen.

Patrick fing den stürzenden Friedrich auf, hob ihn auf seine Arme und rief: "Herr Wirt, schnell, ein Zimmer!" und eilte bereits auf den Herrn der Herberge zu. Dieser sah, dass es seinem Gast nicht gut ging und eilte vor Patrick die Stufen zur ersten Etage hinauf. Gleich die erste Tür im Gang öffnete er und trat beiseite, um dem Kutscher Platz zu machen. Vorsichtig legte dieser seine Last auf das sauber bezogene Bett und sagte dann zum Wirt: "Schickt nach einem Arzt, bitte!"

"Wird sofort erledigt, Monsieur, der Arzt ist schon unterwegs." Damit lief der Mann auch schon nach unten, um nach dem Küchenjungen zu rufen, der den Arzt holen sollte.
Friedrich sah Patrick einfach nur an, dann schloss er die Augen. Es hatte keinen Sinn. Er war in keinem Zustand, der ihn dazu befähigte, Patrick etwas entgegenzusetzen. Der Wirt brachte das geforderte Laudanum und gab es Patrick, der sich besorgt seinen Schützling ansah.
"Der Junge müsste bald da sein und den Arzt bei sich haben. Macht Euch keine Sorgen. Es ist nur eine Beule. Ist der Herr in einen Hinterhalt geraten?"

Nickend antwortete der Kutscher die Frage des Wirtes und tat gleichzeitig kund, dass er verstanden hatte, dass der Arzt benachrichtigt war. Wenige Augenblicke später erschien ein kleiner, dicker Mann, der sich schnaufend einen Weg ins Zimmer bahnte.

"Bon jour, Messieurs", grüßte er und sah auch schon Friedrich, der sehr derangiert auf dem Bett lag. Patrick und der Wirt traten einen Schritt zurück, um dem Arzt Platz zu machen.

"Mon Dieu, Monsieur, was ist Euch denn wiederfahren?", fragte er entsetzt, als er Friedrichs Blessuren sah.

Sein Patient öffnete widerwillig die Augen und versuchte sich ihm zu entziehen. Der Arzt war einfach nur laut und störend. Doch er wurde vehement festgehalten. Er verlor seinen Rock und auch sein derangiertes Hemd musste weichen, dann wurde er untersucht.

"Ein paar Schrammen und blaue Flecken. Sie sollten gekühlt werden. Schlimmer ist die Beule am Kopf. Der junge Herr sollte ruhen. Aber er scheint recht aufgeregt und noch unter Schock. Hier ist etwas zur Beruhigung. Ich sehe schon: Laudanum. Das hier wird besser wirken. Ein wenig Mohn und Baldrian. Der junge Herr wird bald wieder auf den Beinen sein", erklärte der Arzt und erhob sich.

Friedrich konnte ein Wimmern unterdrücken. Nach der Untersuchung schmerzte ihm alles noch ein wenig mehr als zuvor.

"Hier ist etwas gegen die Schmerzen. Dann wird er ruhig schlafen", bemerkte der Arzt noch und schrieb alles auf, damit der Küchenjunge es besorgen konnte.

"Ruht Euch aus, Monsieur, morgen wird es Euch wieder besser gehen."

Friedrich bezweifelte die frommen Wünsche, aber er schwieg dazu und schloss wieder seine Augen.

Der Kutscher dankte dem Arzt und entlohnte ihn, ebenso wie den Wirt und schob beide sachte, aber bestimmt aus dem Zimmer. Nachdem er die Tür hinter den beiden geschlossen hatte, wandte er sich wieder dem jungen Mann auf dem Bett zu.

"Wieso seid Ihr in diese dunkle Gasse gegangen, Monsieur Schuster?", fragte er ohne Vorwurf und ohne auch nur mit einem Wort auf Friedrichs Flucht einzugehen. Kurz wurden sie von einem Klopfen an der Tür unterbrochen, als der Küchenjunge die Medikamente brachte. Patrick entlohnte ihn großzügig und verschloss die Tür erneut.

"Wieso, ich bin nicht in eine der Gassen gegangen. Ich habe mich nur etwas abseits gestellt, weil ich etwas essen wollte", murrte er und mied Patricks Blick. Friedrich wusste aus Erfahrung, dass auch das nicht besonders klug gewesen war, aber er hatte schlicht nicht mehr daran gedacht. Er konnte sich noch daran erinnern, wie ein stechender Schmerz in seinen Schädel gefahren war und dann war da nichts mehr.

"Was habt Ihr mit mir vor?", fragte er dann etwas leiser und mit ein wenig Hoffnung beladen, dass der Diener des Comte ihn gehen ließ.

Patrick sah ihn einen Moment an. Er hatte klare Befehle, die er genauso ausführen würde.

"Wenn es Euch besser geht, dann werde ich Euch nach 'Mon Bijou' zurückbegleiten. Warum fragt Ihr?" Fragend sah er nun Friedrich an und setzte sich auf die Kante des Bettes.

"Warum seid Ihr vor dem Comte geflohen? Hat er Euch ein Leid getan?" Patrick wusste um die wahre Natur seines Herrn, er wusste genau, dass er einem Vampir diente und dies bereits seit 120 Jahren. Doch er hütete sich, diese Tatsachen preiszugeben.

Etwas verwundert sah er, wie Friedrich vor ihm zurückwich.

"Nicht direkt", meinte der Sekretär des Comte ausweichend.

"Ich will die Stellung aufgeben, aber er nimmt meine Kündigung nicht an." Das war die Wahrheit, aber nicht die ganze.

"Dann wird der Comte bestimmt seine Gründe haben. Gute Sekretäre sind selten und Ihr seid sicherlich gut, denn sonst hätte der Graf Euch nicht eingestellt." Er schmunzelte vor sich hin, denn er konnte sich denken, warum Lucien so sehr an Friedrich interessiert war. Patrick wusste um die Vorliebe des Comte für junge Männer, obwohl er der holden Weiblichkeit durchaus nicht abgeneigt war.

Friedrich schien diese Gedanken zu spüren. Misstrauisch sah er den Kutscher an und seine Nackenhaare stellten sich auf. Er schien gefunden zu haben, was ihm sein Instinkt verraten hatte.

"Ihr wisst, warum ich geflohen bin. Erzählt mir keine Lügen. Ihr werdet mich nicht gehen lassen. Niemals!" Friedrich richtete sich auf, ignorierte dabei den dumpfen Schmerz an seinen Rippen und den Schwindel, der ihn erfasst hatte.

"Geht und lasst mich allein!", befahl er außer sich. Sein Gesicht hatte sich vor Wut verzerrt und aufgrund der Anstrengung bildeten sich kleine Tropfen auf seiner Stirn.

"Hohoho, langsam, Monsieur!" Patrick drückte Friedrich an den Schultern wieder zurück auf das Bett und hielt ihn dort mit erstaunlicher Kraft fest. Mit einem Tuch, welches auf dem Tisch lag, wischte er ihm sanft über die Stirn.

"Ich kann mir denken, welches Ansinnen des Comte Euch so aus der Bahn geworfen hat, dass Ihr geflohen seid. Aber sagt selbst, ist es denn so schrecklich?"


[3] Laudanum = In Alkohol gelöstest Opium. Wurde lange Zeit als Allheilmittel, vor allem gegen Schmerzen, eingesetzt.




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