Ricky und Sven

Teil 1



"Wohin soll ich???", fragte Ricky entsetz, als ihm Fujimaru mitteilte, wohin ihn sein nächster Auftrag verschlagen würde. "Ich kenne mich ja noch nicht so gut in Berlin aus, aber das GAYLIGHT ist doch eine Schwulen-Bar, oder irre ich mich da?"

Fujimaru grinste ihn hinterhältig an. Er konnte Ricky nicht leiden, da er ein Protegé des Yakuza-Boss war, aber die Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit, denn Ricky konnte dem kleinen, schmierigen Bastard von einem Yakuza ebenso wenig aufs Fell gucken. Fujimaru war bekannt für seine Hinterhältigkeit und man munkelte, dass er für Geld sogar seine Großmutter verkaufen würde.

"Du sollst da ja nicht rumschmusen, sondern dem Kontaktmann nur die Disketten übergeben", grinste der Kleinere boshaft.

"Oh Mann, jetzt werde ich schon zum Laufburschen degradiert", maulte Ricky und fuhr sich durch die kurzen, schwarzen Haare. Es machte keinen wirklich großen Unterschied, ob er dies tat oder nicht, denn seine Haare standen immer wirr von seinem Kopf ab und ließen den jungen Japaner erscheinen, als ob er gerade eben aus dem Bett gefallen wäre.

"Wenn du deine Finger komplett behalten möchtest, dann solltest du lieber tun, was man dir aufträgt. Sei froh, dass du noch eine Chance bekommst, deinen Fehler wieder grade zu biegen und nicht gleich deinen kleinen Finger im Einmachglas nach Tokyo schicken musst. Na ja, wenn so ein hohes Tier die Hand schützend über einen hält, dann darf man sich so einen 'kleinen' Fehltritt schon mal leisten, nicht wahr, Phantom?" Das letzte Wort betonte Fujimaru besondert gehässig.

Ricky ballte stumm die Hände zu Fäusten, dann drehte er sich blitzschnell um die eigene Achse und donnerte seine gestreckte Rechte mitten in das grinsende Gesicht des anderen. Ohne ein weiteres Wort, nahm er die Disketten, die auf dem Tisch lagen, an sich und verließ die Wohnung.

Leise vor sich hinfluchend stand Ricky nun schon geraume Zeit auf der anderen Straßenseite und betrachtete den Eingang zum GAYLIGHT. Es war ein reges Kommen und Gehen, überall liefen junge Männer rum, die sich allem Anschein nach prächtig amüsierten. Viele hatten sich in große Regenbogen-Fahnen gehüllte oder schwenkten diese euphorisch durch die Luft. /Mann, was ist denn heute hier los? Wo kommen denn auf einmal so viele Schwule her?/, fragte sich Ricky. Dann fiel sein Blick zufällig auf ein etwas derangiertes Plakat, auf dem zur Teilnahme am Christopher-Street-Day aufgefordert wurde. Der junge Asiat schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. /Klar, heute ist doch das heilige Fest der Schwulen und an so einem Tag muss ich ausgerechnet in einer Schwulen-Bar einen Kontaktmann treffen. Na toll, hätte sich der Kerl nicht einen anderen Treffpunkt aussuchen können?/ Doch nun war es zu spät und Ricky würde seinen Auftrag ausführen müssen, wollte er nicht wirklich einen Teil seines kleinen Fingers verlieren. Denn wenn er diesmal auch patzen würde, dann würde selbst Tanakamato Shirou, der große Yakuza-Boss in Tokyo, ihm nicht mehr helfen können. So waren nun mal die Gesetze der Yakuza.

Wo blieb dieser verdammte... wie wurde er genannt?

Ricky, ja Ricky war der Name des Boten. Eigentlich ungewöhnlich, wenn man betrachtete, woher das Jungelchen kommen sollte. Nach der Beschreibung war er das. Kaum den Kinderschuhen entwachsen. Pah, seit wann arbeiteten Kinder für die Yakuza?

Sven schniefte kurz auf und schaute eisig auf den Bartender.

"Noch einen Doppelten", knurrte er kurz.

Aufmerksam und mit stechenden Augen beobachtete er seine Umgebung. Männer unter Männern. Da fiel er nur dadurch auf, dass er recht schlicht gekleidet war. Aber man sah es ihm nach und ein paar begehrliche Blicke wurden ihm auch zugeworfen. Sven fühlte sich nicht unbedingt geschmeichelt. Aber es war gut zu wissen, falls er etwas Druck ablassen wollte, dass er sich hier den richtigen Bettwärmer besorgen konnte.

Ricky atmete noch mal tief durch, dann stieß er sich von der Wand ab und überquerte die Straße. /Los, Takashima, du musst da jetzt rein. Bis doch schon in ganz anderen Läden gewesen und hast es heile überstanden./ Etwas mulmig war ihm schon, einen solchen offensichtlichen Schwulenladen zu betreten. /Wenn auch nur einer einen Finger an mich legt, dann kann er die Radieschen von unten betrachten/, dachte er grimmig und grinste den Türsteher breit an. /Irgendwie sieht der ja ganz normal aus./ Dann war er drin. Gedämpftes Licht empfing ihn und im Hintergrund lief Musik. Dann entdeckte Ricky die Tanzfläche, auf der sich einige Gestalten zu den Rhythmen irgendeiner angesagten Musik bewegten. Doch die Tänzer interessierten ihn nicht. Sein Blick suchte und fand die Bar. Dort sollte er seinen Kontaktmann treffen. Die Beschreibung, die er von diesem Sven bekommen hatte, konnte hier auf jeden Zweiten zutreffen. Ricky entschied, es mit dem altbewährten Sprachentrick zu versuchen. Er guckte sich denjenigen aus, der am gelangweiltesten aussah und sprach ihn an: "Konbanwa, tomodachi.[Guten Abend, Freund.]" Wenn er den Richtigen erwischt hatte, würde er ihm ebenso auf japanisch antworten, war es der Falsche, würde er ihn wahrscheinlich nur doof angucken.

Sven sah sich den kleineren Mann an. Er verkniff sich ein Lächeln. Der Asiat sah nicht schlecht aus. Aus dessen Typ konnte man durchaus etwas machen. Sven straffte seine Gestalt. Aber das Private hatte hier nichts zu suchen. Geschäft war Geschäft und wenn man beides nicht voneinander zu trennen vermochte, lag man früher oder später mit durchschnittener Kehle auf der Müllkippe.

"Ein schönen guten Abend (japanisch)", grüßte er eloquent und mit kaum wahrnehmbarem Akzent.

Aha, das war also sein Mann, denn er hatte die richtige Antwort gegeben. Ricky betrachtete sich den anderen unauffällig. Zum Glück war der Bereich um die Bar etwas besser ausgeleuchtet als der übrige Club. /Vom Äußeren sieht er ja ganz nett aus, wenn man auf Männer steht/, dachte Ricky mit einem Grinsen. /Aber bei mir ist er da falsch. Ob der auch schwul ist?/ Der junge Yakuza überlegte kurz, befand dann jedoch, dass diese Überlegungen in diesem Fall wohl müßig wären, da er ja geschäftlich hier war.

"Ich habe das neue Computer-Spiel mitgebracht, wie ich es versprochen habe." Auch diese Satz war vorher abgesprochen und sollte neugierige Lauscher in die Irre führen. Noch einmal sah sich Ricky in dem Club um. Gedämpfte Beleuchtung erzeugte eine gemütliche Atmosphäre, ohne schummerig zu wirken. Die Musik für die Tänzer war zwar laut, aber man konnte sich gut unterhalten, ohne sich anschreien zu müssen. Als der Bartender, ein gutaussehender Mittzwanziger mit einem durchtrainierten Körper, den er unter einem strammsitzenden Muskel-Shirt und einer engen Lederhose nur notdürftig versteckte, nach seinen Wünschen fragte, schoss es Ricky kurz durch den Kopf: /Dich, mein Schöner, in der Horizontalen und ich oben auf./ Entsetz schüttelte der Japaner den Kopf, orderte eine Cola und überlegte, wie er denn auf diesen Gedanken gekommen war. /Das muss die Luft hier sein, da ist irgendwas drin. Opium, Marihuana, Koks oder irgendeine andere Droge. Sonst wäre ich doch nicht auf so einen Gedanken gekommen. Ich mit 'nem Kerl?/ Ricky schüttelte sich noch mal, als ob ihm jemand einen Frosch in den Ausschnitt gesteckt hätte.

Dann sah er Sven erwartungsvoll an.

Andreas war der Asiat sofort aufgefallen, als dieser das 'Gaylight' betrat. Er behielt den Mann im Blick, sah wie dieser sich am Tresen an einen anderen Mann wandte, der ihm schon durch seine schlechte Laune aufgefallen war.

Was will er denn mit dem, fragte er sich und näherte sich unauffällig der Bar und somit dem Asiaten.

Dieser lächelte erfreut und winkte den Asiaten näher an die Bar.

"Das ist fantastisch. Ist das die neueste Version?", fragte er ihn freudig und mimte damit erfolgreich einen enthusiastischen Computerfreak auf der Jagd nach der neuesten Errungenschaft, der endlich seinen Freund getroffen hatte, der ihm diese verschaffen sollte. Während er die Maske aufrechterhielt, bekam er unwillkürlich eine Gänsehaut.

Wer sollte sie hier beobachten, knurrte er innerlich. Er hatte doch jegliche Spuren verwischt!

"Ja, die allerneueste, noch gar nicht auf dem Markt. Das kostet dich aber eine Stange Geld", antwortete Ricky grinsend. /Und wehe du fängst an zu schachern, dann ist es aus mit dem Deal, egal was der Shogun sagt./ Wenn Ricky eines hasste, dann Dealer, die um den Preis der Ware feilschten. Entweder sie zahlten den von ihm verlangten Preis oder aber sie gingen ihrer Wege und kamen nicht mit ihm ins Geschäft.

Unauffällig drehte sich Ricky auf dem Barhocker herum, so dass er mit dem Rücken zur Bar saß, lehnte sich zurück und legte die Unterarme auf die Bar. Aufmerksam ließ er seinen Blick durch den Club schweifen. "Nette Bude hier", bemerkte er, obwohl ihm hier eindeutig zu viel Männer waren. Neben sich an der Bar bemerkte er einen jungen Mann mit kurzen blonden Haaren, der ihn auffällig unfällig zu beobachten schien. Ricky hatte sofort ein unangenehmes Gefühl. /War der vorhin in der Küche? Sollte der mich wiedererkennen?/, überlegte er entsetzt. /Der Zufall wäre dann doch wohl zu groß. Außerdem liefen in der Küche doch nur Asiaten rum und der hier ist blond und eindeutig Europäer. Takashima, du wirst ja langsam paranoid. Erledige deinen Job und dann nichts wie raus hier, ehe dich so eine Tunte noch angräbt./ Mit einem Grinsen auf dem Gesicht drehte er sich wieder zu Sven um. "Was ist nun? Zahlst du den Preis, ja oder nein?"



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