Ricky und Sven

Teil 2



Wehe, wenn sie den Mund aufmachen, dachte Sven, während sein Gesicht seine Gedanken nicht preis gab.

Am liebsten würde ich dir den Mund stopfen, erklärte er in Gedanken mit wütender Genugtuung.

Der Deal stand fest, genauso wie der Preis. Er war kein dreckiger Junkie, der sich von seinem Dealer den nächsten Schuss versprach.

"Der Preis ist okay, lass uns nach hinten in die Ecke gehen, da ist es ruhiger", schlug Sven vor und deutete in Richtung Tür, wo es kleine Kabinen gab. Zwei Fliegen mit einer Klappe, den kleinen Neugierigen war er damit auch los.

Der Yakuza nickte nur, obwohl ihn der Gedanke nicht behagte, mit Sven in einer dieser Kabinen zu verschwinden. Nicht, dass er Angst vor Sven hatte, denn er konnte sich sehr gut seiner Haut wehren. Schließlich hatte ihn der Shogun hervorragend ausbilden lassen und auch sein Vater hatte schon früh auf einer Kampfsportausbildung bestanden. Mit 15 Jahren schließlich war er für ein Jahr in ein Ninja-Kloster gesteckt worden, wo er sich nach anfänglicher Gegenwehr und jeder Menge Prügel der strengen Erziehung zu einem Schattenkämpfer hatte unterziehen müssen. Heute war er über diese Ausbildung äußerst froh, wenn er auch ungern daran zurückdachte. Was Ricky Sorgen bereitete war der Umstand, dass sie sich hier in einem Schwulen-Club befanden und Svens Augen bei seinem Eintreffen so komisch aufgeblitzt hatten. Irgendwie hatte er ein ungutes Gefühl in der Magengegend. /Wenn du mich anfasst, dann brauchst du die Disketten nicht mehr/, dachte er grimmig.

Der Hehler konnte das Zögern des Asiaten eher riechen als wirklich mit seinen Augen wahrnehmen, doch es war zweifellos da. Mit einem Lächeln beugte er sich zu ihm und hoffte auf den Ort, der seine Annäherung den richtigen Schein gab, aber auch den Kleineren davon abhielt, handgreiflich zu werden.

"Ich pflege meine Geschäfte von privaten Angelegenheiten zu trennen, Mr. Takashima", wisperte er. "Ich würde Sie bitten, Ihre Abneigung an einen anderen Ort zu verlegen, wo das weniger auffällig ist."

Ehe Ricky reagieren konnte, hatte Sven sich wieder aufgerichtet und sah in dessen verdutztes Gesicht.

Sofort überzog eine Zornesröte das schmale, asiatische Gesicht. "Geh vor", knurrt er nur. /Takashima, beherrsch dich! Du hast schon einen Auftrag versaut. Wenn der hier auch noch schief geht, dann kann dir selbst der Shogun nicht die Finger retten./ Trotzdem folgte er Sven nur mit Widerwillen in die Kabine.

Der dunkelhaarige Europäer hatte mit nichts anderem gerechnet. Als sie den Raum durchquert hatten und den mehr oder weniger sicher tanzenden oder einfach nur herumstehenden Männern ausgewichen waren, hielt Sven Ricky den Vorhang auf, der den Blick in eine leere Kabine halb verdeckte.

Mit der Hand winkte der Hehler einen gerade freigewordenen Kellner herbei und bestellte mit vernehmlicher Stimme zwei Sake.

"Sie können sich setzen, Ricky", erklärte Sven spöttisch.

"Soweit ich weiß, wird Sie ein Schluck Sake nicht umhauen. Wir sind hier schon genug aufgefallen, als dass wir hier auch noch als Abstinenzler Aufmerksamkeit auf uns ziehen sollten."

Die letzten Worte hatte er nur gewispert und deutet kurz mit den Augen in Richtung des blonden Mannes, der sie immer noch beobachtete.

Ricky brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wen Sven mit dieser Andeutung meinte. Aber der Blondie war ihm bei weitem sympathischer als dieser Sven. So schüttelte er nur den Kopf. "Wenn du mich unter den Tisch saufen willst, dann musst du schon ganz andere Geschosse auffahren als Sake." /Und vor allem eine ganze Menge Kondition mitbringen/, dachte er fies grinsen. Wenn er eines bei Sensei Hidejori gelernt hatte, dann war es trinken. Hidejori-sama war der Meinung gewesen, dass es nicht schaden konnte, wenn sein Schüler nicht nur die Kunst des lautlosen Tötens beherrschte, sondern auch eine gewisse Alkoholresistenz aufwies. Und wie sehr er damit Recht hatte, hatte sich schon einige Male herausgestellt, als gegnerische Yakuza versucht hatten, ihn, Ricky, als Protegé des Shoguns, unter Alkohol zu setzten und dann auszufragen. Entweder lagen die anderen zuerst lallend unter dem Tisch oder aber Ricky hatte ihnen erfolgreich den völlig Betrunkenen vorgespielt und sie dann mit falschen Informationen versorgt.

"Im Übrigen ziehe ich es vor, stehen zu bleiben."

Sven schüttelte sacht den Kopf.

"Nein, entweder Sie setzen sich oder das Geschäft ist beendet. Meine Bedingungen als Zwischenhändler waren klar und jeder war damit einverstanden. Es läuft so ab, wie ich das will. Dazu gehört auch, dass ich Sie nicht anrühre, genauso, wie ich dafür sorge, dass Sie hier wieder rauskommen.

Das mag hier nicht Japan sein, aber ungefährlich ist dieses Pflaster, insbesondere für einen Ausländer, nicht. Und sollten Sie hier jemanden töten, dann wird es mehr als eine Anrufs beim Polizeipräsidenten bedürfen. Ich werde nicht mehr für Ihre Unversehrtheit garantieren, wenn Sie sich weiterhin so unkooperativ verhalten."

Schnell und leise hatte er gesprochen und den Asiat dabei keinen Moment aus den Augen gelassen. Mochte sein, dass dieser einer der Besten war, doch er selbst war es auch. Trotzdem hatte Sven den Eindruck, es mit einem ungeduldigen, leicht aufbrausenden Halbstarken zu tun. Dessen Erfahrung, auch in ungewöhnlichen Umgebungen die Nerven zu behalten, schien geradezu minimal zu sein.

Der Japaner wollte schon eine freche, aufbrausende Antwort geben, überlegte es sich aber dann schnell. Der Hehler hatte Recht. Er war für die heutige Nacht schon genug aufgefallen. Wie er die Sache in der Restaurant-Küche dem Shogun erklären wollte, war ihm auch noch nicht klar. Also setzte er sich zähnknirschend hin. "Dann lass uns den Deal endlich zu Ende bringen, damit ich hier raus kann", blaffte Ricky, dabei bemüht, sich in der Lautstärke zu mäßigen. In diesem Moment war ein Räuspern vor der Kabine zu vernehmen.

"Sie können reinkommen!", erwiderte Sven auf die diskrete Anfrage. Der Kellner schlug den Vorhang leicht zur Seite und stellte auf dem Tisch ein kleines Tablett ab, auf dem sich zwei Sake-Schälchen und ein Sake-Kännchen befanden.

Wie üblich bezahlte Sven die Zeche sofort, dann verschwand der dienstbare Geist wieder.

"Auf einen guten Geschäftsabschluss", murmelte Sven, als er Ricky ein Schälchen zuschob.

Ohne Sven aus den Augen zu lassen, nahm Ricky das Schälchen und wartete bis Sven das seine an die Lippen gesetzt hatte.

"Kanpai [Prost!]", murmelnd wartete er, bis Sven getrunken hatte.

Sven verkniff sich den Gruß. Denn er war im Grunde gelogen. Doch er nickte leicht, als Ricky ausgetrunken hatte.

Betont stellte er das Schälchen ab.

"Die erste Zahlung", wisperte er, während er etwas auf Tuchfühlung ging und so für Außenstehende jemand darstellte, der einen Exoten aufriss, "erfolgt jetzt in diesem Augenblick auf das Schweizer Konto. Die zweite Zahlung, wenn ich die Ware gesehen habe. Die dritte, wenn alles sauber über die Bühne gegangen ist und wir beide noch leben. Es war etwas beunruhigend für die Geschäfte in der neuen Welt, als sich der Vorfall in Osaka ereignete. Seitdem sind alle etwas vorsichtiger geworden."

Andreas drehte sich sprichwörtlich der Magen um, als er sah, wie der süße Asiat mit diesem Klotz verschwand und dann auch noch in einer der Kabinen. Er schüttelte sich leicht, kippte einen Klaren, den er sich soeben hatte kommen lassen und sah auf den Vorhang. Einer der Barkeeper näherte sich der Kabine, öffnete den Vorhang und reichte ein Tablett rein. Er sah wie der Europäer auf Tuchfühlung bei dem Asiaten ging und schüttelte sich.

Mit einem schnellen Schritt versuchte Ricky die Distanz zwischen sich und Sven wieder auf den alten Stand zu bringen. Irgendwie verwirrte ihn diese Nähe. Nicht, dass er Angst hatte, aber sie machte ihn in einer für ihn nie gekannten Art kribbelig. /Ich sag ja, da ist irgendwas in der Luft, damit die Kerle hier kirre werden./ Er hatte zwar keine Ahnung, was sich in Osaka ereignet hatte, war er dafür doch einfach schon zu lange aus Japan weg, außerdem kümmerte er sich nicht um die 'große Politik', wie er es immer nannte. Er bekam einen Auftrag, erledigte ihn und bekam sein Geld dafür. Punkt, aus.

Nun nickte Ricky nur und zog langsam den verschlossenen Umschlag mit den Disketten aus der Innentasche seiner schwarzen Lederjacke. Etwas unschlüssig drehte er ihn in den Fingern. Wie er diese Art von Job hasste. Ihm waren die Rein-Raus-Weg-Jobs am liebsten, ohne gesehen zu werden. Und wenn er wirklich mal hehlte, dann ohne lange Verhandlung über den Preis oder irgendwelche Bedingungen. Aber diese Sache hatte der Shogun angeleiert und er war nur der Laufbursche.

Sven nickte zufrieden, goss seinem widerwilligen Gast und sich noch ein Schälchen Sake ein.

"Ich werde die Ware prüfen. Hier in der Nähe ist ein Internet-Cafe. Deren Ausstattung reicht dafür und es lässt sich nicht zurückverfolgen. Lass uns gehen!"

Mit einem ernsten Nicken hob Sven das Schälchen zum Gruß.

Er stürzte den laufwarmen Sake hinunter und schüttelte sich angewidert. Was in Europa als Sake verkauft wurde, war die reinste Beleidigung und dann wurde er meist lauwarm serviert und auch noch nicht mal warmgehalten. Als Sven Anstalten machte, den Club zu verlassen, dachte Ricky erleichtert: /Bloß raus aus diesem Tuntentempel./



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