Ricky und Sven

Teil 3



Mit einer gewissen Erleichterung trat Sven aus dem Club und sog die kühle Nachtluft ein. Er konnte das Unbehagen des Kleineren in seinem Nacken spüren, aber der dunkelhaarige Mann verkniff sich ein Kopfschütteln.

"Da geht es lang!", meinte er nur kurz und lotste den Asiat sicher zum Cafe. Um diese Zeit herrschte nicht mehr sehr viel Betrieb, so dass er mit einem Wink zum Betreiber einen Computer freigeschaltet bekam.

"Die Disketten", befahl Sven in geschäftlichem Ton.

Wortlos übergab Ricky ihm den Umschlag mit den Disketten. /Bei Amaterasu[1], hoffentlich ist dieser Deal bald erledigt. Wie ich das hasse!!!/ Neugierig sah er auf den Bildschirm, wusste er doch selber nicht, welche Daten die Disketten enthielten. /Scheiße, was habe ich denn Tanakamato‑sama angetan, dass er mich zum Laufburschen degradiert? Nur weil ich mit dem Scheiß Farbergé‑Ei in diese Küche gefallen bin? Die vom Museum haben ja noch nicht mal mitbekommen, dass das Ding weg ist, sonst wär's doch schon längst durch die Medien gegangen. Und ob der Koch mich wiedererkennen würde ist auch fraglich. Zum Glück sehen alle Asiaten für Europäer gleich aus. Moment, der war doch selber Koreaner oder Thai oder Vietnamese oder so was. Mist, Mist, Mist, dann könnte er mich ja doch wiedererkennen. Aber wie sollte er, dafür müssten sie mich ja erst mal haben./ Bei diesem letzten Gedanken hob sich Rickys Stimmung erheblich. Gebannt starrte er wieder über Svens Schulter auf den Schirm.

Dieser gab routiniert die Codes ein, die ihm von seinem Auftraggeber gegeben worden waren. Eine Ziffernfolge nach der anderen, dann liefen Berechnungen über dem Bildschirm. Sven runzelte kurz die Stirn, dann nickte er.

"Alles in Ordnung", murmelte er mehr für sich als für den gespannt wartenden Asiat.

"Ich veranlasse die zweite Zahlung. Die dritte erfolgt morgen. Wenn Sie einverstanden sind, dann wäre es das dann..."

Sven ließ den Satz offen, als er die Stimme leicht anhob und Ricky ansah.

Ricky nickte nur kurz. "Wurde auch Zeit, dass dieser Scheiß‑Job über die Bühne ging. Wer ist überhaupt auf diese glorreiche Idee mit dem Treffen in dem Tuntentempel gekommen? War das deine Idee?" Er sah demonstrativ an Sven rauf und runter. "Hm, für 'nen warmen Bruder siehste eigentlich ziemlich cool aus, Süßer", säuselte er grinsend.

Der Angesprochene hob ungesehen eine Augenbraue. Ein kleiner Klumpen bildete sich in seinem Magen, ließ ihn ein wenig frieren. Sven mochte es absolut nicht, als Tunte bezeichnet zu werden und indirekt hatte Ricky ihm das gerade zu verstehen gegeben.

Mit einem zuckersüßen Lächeln auf den Lippen drehte er sich um.

"Ich denke, dass dich das nichts angeht, Kleiner", säuselte er zurück.

"Kann sich ja jeder ins Bett holen, was er will", antwortete Ricky schulterzuckend und wendete sich um, um das Cafe zu verlassen.

Sven kniff die Augen zusammen.

Du hast Recht, Kleiner, stimmte er Ricky innerlich zu, jeder konnte sich ins Bett holen, wen er wollte. Dem herbeigeeilten Inhaber steckte er 5 Euro zu, dann folgte er dem Asiaten, der sich ziemlich selbstzufrieden aussehend umschaute.

Der Hehler griff in seine Jackentasche und tastete nach seinem Lieblingswerkzeug, wenn es um kleinere Entführungen jeglicher Art ging. Er hatte es schon lange nicht mehr gebraucht. Aber es befand sich im besten Zustand, falls er unvorhergesehen einen entsprechenden Auftrag bekam. Das war ab und an der Fall. Vor allen Dingen, wenn es galt, Abtrünnige und Verräter vor das Gericht zu bringen.

Ehe Ricky sich umdrehte, hatte Sven ihm die kleine Nadel in den Hals gerammt und trat ein wenig zurück. Mit Genugtuung sah er den kleinen roten Tropfen an der Spitze, der geheimnisvoll im Licht der Straßenbeleuchtung glitzerte.

Ricky hingegen sah ihn erschrocken an und hielt sich den verletzten Hals.

"Hast du Fragen, Kleiner?", wisperte Sven spöttisch.

Der Yakuza war froh als er endlich wieder auf der Straße stand. Die Luft in dem Cafe war zum Ersticken gewesen und voller Rauch. Er hasste Zigarettenrauch. Plötzlich spürte er eine Präsenz hinter sich und eher er sich auch nur ansatzweise umgedreht hatte, stach ihm irgendetwas in den Hals. Mit einem Knurren wandte er sich um, legte die Hand auf die verletzte Stelle und blickte in Svens spöttisch grinsendes Gesicht. "Heh, du Wichser, was soll der Scheiß?" Irgendwie wurde ihm ein bisschen schwummerig, aber er schob es auf die schlechte Luft in dem Cafe.

"Was ich, Wichser, getan habe?", säuselte Sven liebenswürdig. "Nichts, was dir schaden könnte, mein Kleiner."

Der Braunhaarige trat einen Schritt näher an Ricky und stützte ihn leicht, da dieser schon das Gleichgewicht verlor.

"Geht es dir nicht gut?", fragte er gespielt besorgt.

"Nimm deine Griffel von mir, du Tunte", giftete Ricky und versuchte sich mit einer unwirschen Bewegung aus Svens Griff zu befreien, was ihm aber nicht wirklich gelang, da sich nun auch sein Gleichgewichtssinn verabschiedete und sein Blick zusehends trüber wurde. /Scheiße, was hat der Kerl mir da in den Hals gejagt?/, fragte er sich benommen und versuchte nochmals taumelnd Svens Händen zu entkommen.

Der Hehler griff Ricky unter, als dieser das Bewusstsein und damit jegliche Spannung verlor.

"Das wird Ärger geben, Kleiner", stellte Sven fest. "Aber das ist es mir wert und so schnell kann mir keiner was. Auch nicht dein Shogun."

Mit diesen Worten nahm er den Asiat in seinen Arm und ging zum Straßenrand. Dort ließ er ihn wieder runter und stützte dessen leblosen Körper. Mit der freien Hand zückte er das Handy und wählte aus dem Verzeichnis eine Nummer.

"Ja, bitte ein Taxi in die Dresdener Straße zum Internet‑Cafe Blue."

Als er die Bestätigung hörte, legte Sven auf.

"Ich werde dich mitnehmen, mein Kleiner. Dann werde ich mal herausfinden, wo deine Grenzen liegen."

Ricky wollte auf Svens Worte antworten, jedoch gehorchte ihm seine Stimme nicht mehr. Auch seine Beine wollten seinen Befehlen nicht mehr so gehorchen. Irgendwie bekam er alles nur noch wie in Watte gepackt mit. Irgendwann fuhr ein großes Auto vor, von dem Ricky vermutete das es sich wohl um ein Taxi handeln könnte, und Sven verfrachtete ihn dort hinein.

Die Fahrt verlief eigentlich sehr ruhig, da Ricky irgendwie nicht mehr in der Lage war, mehr als drei zusammenhängende Worte zu reden. Irgendwann meinte er, dass Sven etwas zu dem Fahrer sagte, was sich nach: "Mein Kumpel hat ganz schön tief ins Glas geschaut, obwohl er gar nichts verträgt. Tja, er musste eine unglückliche Liebe ersäufen." anhörte. /Was? Liebe? Womöglich zur dir Perversling, oder wie?/ Rickys Gedanken drehte sich unaufhörlich darum, was ihm Sven da wohl verabreicht hatte und was er nun mit ihm vor hatte, aber er kam zu keinem vernünftigen Ergebnis. Irgendwann endete die Fahrt und Sven zerrte ihn wieder aus dem Auto ins Freie.

"Nun, mein Schöner, jetzt geht es zu mir. Freust du dich schon?"

Sven war mehr als wütend, das merkte er nur zu deutlich. Wieso er diesem vorlauten Kerl nicht nur eines auf sein Drecksmaul gab, das wusste er nicht so genau. Er wusste nur, dass er nicht vorhatte, Ricky so einfach davon kommen zu lassen.

Nicht nur, dass er sich vollkommen daneben benahm, er war für seinen Beruf auch noch ausgesprochen unprofessionell. Entweder schob Sven das auf seine Jugend oder seine kulturelle Herkunft. Nur das es das Letztere nicht sein konnte. Der braunhaarige Mann hatte schon mehr Erfahrungen mit Rickys Kollegen machen können.

Was auch immer diesem Dickschädel quer gelaufen war, er hatte damit Sven seinen weiteren Abend gründlich versaut.

Jetzt würde Ricky die Lücke ausfüllen, die er mit einem One‑Night‑Stand zu füllen gedacht hatte.

Fast grob hob Sven den Asiat auf seine Arme und brachte ihn in seine kleine Wohnung. Einhändig schloss er die Tür auf und brachte Ricky dann auf den kürzesten Weg in sein Schlafzimmer.

Keine fünf Minuten später kam Sven wieder, er hatte sich etwas Bequemeres angezogen und dann dafür gesorgt, dass er nicht mehr gestört wurde. Auch Ricky hatte er abgemeldet. Für ganze 7 Tage...

Sven lächelte.

Jetzt würde er sein widerwilliges Opfer mal vorbereiten.

Langsam lichtete sich der Nebel um Rickys Hirn. Er hatte das Gefühl zu schweben, merkte dann aber, dass es Sven war, der ihn trug. Irgendwann fühlte er etwas Weiches unter sich. Vorsichtig hob er den Kopf, soweit es sein widerstrebender Körper zuließ und blickte sich um. Er erkannte, dass er sich wohl in einem Schlafzimmer auf einem Bett befand. Stöhnend ließ er sich wieder nach hinten sinken und schloss die Augen. /Fein, dann kann ich ja hier meinen Rausch ausschlafen/, dachte Ricky zufrieden. /Moment mal, Rausch ausschlafen? Ich habe doch nur zwei Sake getrunken, die hauen mich doch nicht aus den Socken./ Blitzartig fiel ihm der Stich in seinen Hals wieder ein. Vorsichtig tastete er nach der Stelle, fand die kleine verschorfte Stelle und überlegte, was Sven nun mit ihm vor hatte. /Scheiße, warum kann ich mein vorlautes Maul auch nicht halten. Der wird mir jetzt wahrscheinlich eine reindrücken und ich kann mich mit dem benebelten Kopf nicht mal vernünftig wehren. Aber er soll nur kommen, so leicht werde ich es ihm nicht machen. Der soll mal lernen, was es heißt, sich mit einem Yakuza anzulegen./ In diesem Moment betrat Sven den Raum.

"Ich weiß, dass du mich hören kannst. Also hör zu. Ich denke, dass ich mich an dir ein wenig schadlos halte, nachdem du es geschafft hast, mir mächtig auf die Nerven zu gehen. Du darfst dir darauf etwas einbilden, denn das schaffen nur wenige. Ich werde mich revanchieren und dir dein Schandmaul schließen. Keine Sorge, mein Kleiner, töten werde ich dich nicht und falls du denkst, dass du dich irgendwo beschweren kannst, dann versuche es. Es reicht, wenn du vor mir dein Gesicht verlierst. Wenn du aber noch mehr Schande ertragen kannst, lauf los und sag es deinem Shogun. Du gehörst jetzt mir bis ich sage, dass du gehen kannst."

Sven hatte, während er sprach, ein kleines Skalpell genommen und spielte damit scheinbar gedankenverloren rum. Als er verstummte, setzte er es an dem Anzug des kleineren Mannes an und durchtrennte gekonnt den Stoff ohne die darunter liegende Haut zu verletzen.

Rickys Augen weiteten sich, als er das Skalpell in Svens Augen sah. Er hatte keine Angst vor Schmerzen, denn er hatte gelernt sie einfach zu ignorieren oder sie durch Meditation in die hinterste Ecke seines Bewusstseins zu verdrängen. Sonst hätte er innerhalb der Yakuza nie überlebt. Doch als er in Svens Augen sah, war er nicht mehr so sicher, dass das, was der andere Mann nun vorhatte, ihm wirklich gefallen würde. Immer noch ein wenig benebelt, versuchte er sich aufzurichten und der Zerstörung seiner Kleidung entgegenzuwirken. "Nimm die Finger von mir, du Schwein", blaffte er.

Sven nickte nur und summte leise vor sich hin.

Nach wenigen Minuten lag der Asiat lang wie hingegossen auf dem weißen Laken. Was für eine Schönheit, stellte Sven ein weiteres Mal fest, auch wenn ihm das bisher noch gar nicht bewusst gewesen war. Vorher hatte das Geschäft diesem Gedanken im Weg gestanden, doch in diesem Augenblick dachte er ihn erneut.

Und so was verschwendet sich allein an die Frauenwelt. Wirklich bedauerlich. Sven hob eine Augenbraue und musterte den schmaleren, aber durchtrainierten Körper ungeniert.

Er wusste in etwa, welches Training Ricky hinter sich haben musste. Die Muskeln verrieten es. Er selbst hatte ein ähnliches, aber in wichtigen Punkten abgewandeltes Trainingsprogramm erfahren.

Er konnte also mit einer gewissen Resistenz gegen Reize rechnen.

Das ließ sich aber ändern...


[1] Amaterasu, die Sonnengöttin, auf die das japanische Kaiserhaus in direkter Linie seinen Ursprung zurückführt.





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