Der Seepferdchen-Key

Teil 3

Ein er also, huschte es durch Abavons Kopf, dessen Lächeln dadurch leicht erstarb. "Wie alt ist er, Herrin?", erkundigte er sich leise und schüttelte den Kopf auf die letzte Frage. Eigentlich mochte Abavon ja hübsche Frauen, aber er war auch jungen Männern in seinem Alter nicht abgeneigt, obwohl er in dieser Beziehung noch keine Erfahrungen hatte sammeln können. Sollte er nun die Gelegenheit bekommen?

"Der Seepferdchen-Key ist 16 Sommer alt und seit drei Jahren hier im Palast. Trotz dieser kurzen Zeit hat er eine umfassende Ausbildung erhalten und auch schon einige Erfahrungen sammeln können."

"Umfassende Ausbildung? Was beinhaltet diese alles?" Abavon versuchte sich seine Unruhe nicht anmerken zu lassen. Sein Key war noch ein halbes Kind und schon mit 13 Jahren hierher gekommen. Sollte ein Kind von 13 Jahren wirklich schon mit anderen Männern und Frauen Erfahrungen sammeln? Er selber hatte ja erst mit 16 eine Küchenmagd seines Vaters kennen lernen dürfen.

Wissend lächelte die Herrin. "Er hat gelernt, die Bedürfnisse und Wünsche seines Holders zu befriedigen, in jeder Art und Weise, die du wünschst, Abavon." Sie kannte Holder wie den jungen Magier, die das erste Mal in den Palast kamen und glaubten, dass die Keys wie Tiere gehalten wurden, nur ihrem Herrn zu Willen zu sein hatten und keinen eigenen Willen zeigen durften. "Du irrst, wenn du glaubst, einen willenlosen Sklaven vorzufinden."

"Darf ich fragen, Herrin, ob Gewalt zu der Ausbildung gehörte?" Abavon zitterte leicht. Er wollte gar nicht daran denken, was einem Kind alles angetan werden konnte und trotzdem spürte er Erleichterung, als er den letzten Satz von der Herrin vernahm. Er würde also auf keinen Jungen treffen, der sich alles gefallen ließ und vielleicht war es gut gewesen, dass er den Schlüssel beim Spiel gewonnen hatte, so konnte er zumindest verhindern, dass ein anderer dem Jungen Schaden zufügte. "Wie viele Schlüssel gibt es? Bin ich der einzige?"

Die Herrin riss entsetzt die blauen Augen auf, hatte sich aber sofort wieder in der Gewalt und zeigte ihr geschäftsmäßiges, aber freundliches Gesicht.

"Oh nein, Gewalt gehört niemals zur Ausbildung. Die Keys haben zwar defacto den Status eines Sklaven, trotzdem sind sie doch denkende und fühlende Wesen. Wir bilden unser Keys aus, wir dressieren sie nicht wie Tiere. Ähnliches gilt auch für die Holder. Es ist ihnen zwar erlaubt, alles mit dem Key zu machen, aber wird ein Key mit Vorsatz getötet, so hat der Holder dessen Platz einzunehmen und als Key zu dienen." Sie sah Abavon streng an.

Dann lächelte sie wieder und fuhr fort: "Zu jedem Key und seinem Zimmer gibt es immer nur einen Schlüssel und wer ihn in Händen hält, ist rechtmäßiger Besitz des Keys."

Nun fiel dem jungen Magier doch ein Stein vom Herzen. Gewalt gehörte nicht hierher und dies erleichterte ihn ungemein. "Ihr müsst Euch keine Sorgen machen, Herrin. Ich töte nicht, höchstens aus Notwehr." Abavon ließ seinen Blick schweifen und entdeckte den Tisch mit den Gläsern und dem Krug. "Darf ich, Herrin?", erkundigte er sich. "Der Ritt war anstrengend und meine Wasservorräte waren schon nach dem halben Weg aufgebraucht."

"Bitte, bedien dich, Abavon. Wenn du dich erfrischt hast, wird dich Gerrit zum Seepferdchen-Zimmer bringen. Solltest du irgendeinen Wunsch haben, so nennen ihn deinem Key, er wird für die Erfüllung sorgen, egal welcher Art dieser Wunsch ist." Damit erhob sie sich und deutete damit an, dass Abavon entlassen war.

"Eine Frage noch, Herrin, woher kennt Ihr meinen Namen?" Abavon nahm sich von dem Saft und trank. "Und wie heißt mein Key?"

Die Herrin lächelte geheimnisvoll und verließ wortlos den Raum. Kaum war sie den Blicken entschwunden, ging die Tür wieder auf und der junge Diener erschien erneut. "Wenn Ihr mir bitte folgen wollt, Herr, dann bringe ich Euch zum Seepferdchen-Zimmer."

Abavon leerte sein Glas schulterzuckend. Entweder war die Herrin Seherin oder sie beherrschte die Magie, so wie sein Vater. Er nickte dem Diener nur zu und stellte das leere Glas weg, dann folgte er Gerrit durch die mit roten Läufern ausgelegten Flure.

Leise und leicht, fast als ob er schweben würde, schritt Gerrit voran. Nach einigen Treppen und Korridorabzweigungen blieb er vor einer ähnlichen Tür wie die zu den Gemächern der Herrin stehen und deutete auf das dunkelblaue Glas. "Hier ist das Seepferdchen-Zimmer, Herr. Wenn Ihr den Schlüssel hier in die Vertiefung drückt, dann wird sich die Tür öffnen und den Weg freigeben." Der Junge zeigte auf eine Vertiefung in dem Glasrelief, die genau der Form des Bernstein-Seepferdchens entsprach. Sich erneut verneigend fragte der Diener: "Benötigt Ihr noch etwas, Herr oder ist es mir gestattet, mich zurückzuziehen?"

"Ihr dürft gehen, Gerrit!" Mit diesen Worten entließ Abavon den Diener und blieb noch eine Weile vor der wundervollen Arbeit der Tür stehen. Tief atmete er durch, ehe er das Seepferdchen in die Vertiefung drückte und gespannt abwartete. Langsam schwang die Tür auf und Abavon blieb davor stehen, warf einen scheuen Blick in den Raum der dahinter lag.

Marinus hörte das leise Klicken, als sich seine Zimmertür öffnete. Neugierig spähte er zur Tür. Wer wohl sein neuer Holder war? Ob er jung war, so wie die anderen? Oder bekam er diesmal einen älteren Holder? Oder war es gar eine Frau? Bis jetzt hatte Marinus nur ein einziges Mal eine Frau als Holder gehabt und die war nur einen Tag geblieben. Sie war sehr nett, hatte die ganze Zeit mit ihm Schach gespielt und war am Abend wieder gegangen. Langsam schwang die Tür auf und Marinus erhob sich, um seinen neuen Herrn gebührend zu empfangen.

Ein junger Mann mit braunem, kurzen Haar fiel in Abavons Blick. Sofort erhellte ein Lächeln sein Gesicht, dann erst trat er ein. "Ich bin Abavon", stellte er sich sofort vor. "Und habe gestern deinen Key beim Spielen gewonnen, obwohl ich keine Ahnung hatte, was er bedeutet." Er hielt das kleine Seepferdchen hoch und drückte die Tür hinter sich ins Schloss.

Kaum hatte der Mann das Zimmer betreten, lief Marinus auf ihn zu und ging vor ihm auf die Knie, senkte das Haupt und sagte leise, aber deutlich: "Ich bin Marinus, der Seepferdchen-Key. Ich bin Euer Eigentum, Herr." Mit klopfendem Herzen wartete er nun darauf, dass ihm sein Herr erlaubte aufzustehen. Der kurze Blick hatte ihm einen jungen Mann gezeigt, der nicht sehr viel älter als er selber sein konnte und der zu dem auch noch nett zu sein schien.

"Nicht!", schrie Abavon leise auf und fasste den Jungen an den Oberarmen, dann zog er ihn hoch und lächelte ihn an. "Ihr müsst vor mir nicht auf die Knie gehen und nennt mich nicht Herr! Ich bin Abavon." Der junge Magier schaute in die braunen Augen vor sich und betrachtete den zierlichen, aber doch durchtrainierten Jungen. "Verhaltet Euch ganz normal, so wie immer!"

Entsetzt sah Marinus auf, als Abavon aufschrie und ihn gleich darauf an den Arme hochzog. "Aber.... aber... Herr, ich darf doch nicht..... ich kann doch nicht....." Marinus war vollkommen durcheinander. Noch nie hatte ein Holder verlangt, dass er NICHT vor ihm niederkniete, wenn dieser das Zimmer betrat und auch noch niemand hatte von ihm verlangt, dass er es am nötigen Respekt fehlen ließ und seinen Herrn mit Namen ansprach. Der Holder sprach den Key mit Namen an und doch nicht umgekehrt! Und wenn er sich normal verhielt, hatte er niederzuknien. Marinus wusste nun überhaupt nicht mehr, wie er sich verhalten sollte und so blieb er einfach stehen und sah seinen neuen Holder mit aufgerissenen Augen und offenem Mund an.

"Doch, Ihr könnt, Marinus!", lächelte Abavon den Jungen an. "Ich habe Euren Schlüssel, wie schon erwähnt, gewonnen und bin hier, um mich davon zu überzeugen, dass es Euch gut geht und keiner Euch misshandelt oder zu etwas zwingt, was Ihr nicht wollt. Mein Vater besaß früher auch einmal Sklaven, bis meine Mutter kam, dann kamen sie frei und seitdem arbeiten nur noch Angestellte auf unserem Landsitz. Ich halte es wie meine werte Mutter, niemand sollte irgend jemanden gehören."

Immer noch starrte Marinus Abavon an. Er verstand kein Wort von dem, was er ihm sagte. Dann senkte er den Blick, denn er bemerkte, dass er seinen Holder unhöflich angestarrt hatte.

"Herr, ich darf Euch nicht...... nicht mit Namen anreden!", platzte er heraus, schlug sich schnell auf den Mund und sank gleich darauf wieder auf die Knie. Mit gesenktem Haupt murmelte er: "Verzeiht, Herr."

Abavon war geschockt, als Marinus wieder vor ihm auf die Knie fiel. Er strich über das kurze Haar und ging in die Knie, dann legte er einen Finger unter das Kinn des Jungen und bat: "Sieh mich an, Marinus! Wer sollte denn mitbekommen, dass du mich nicht mit Herr ansprichst?" Abavon benutzte mit Absicht die einfache Sprache. "Oder stehst du hier unter Beobachtung?"

Immer noch ängstlich und vollkommen verwirrt blickte Marinus in die grünen Augen Abavons. "Nein, Herr, natürlich werden die Zimmer nicht überwacht." Einen Moment betrachtete er seinen neuen Holder genauer. Er war sehr jung, noch jünger als ein letzter Herr, aber doch einige Jahre älter als er selber. Freundlich sah er aus, aber trotzdem sträubte sich alles in Marinus, ihn einfach beim Namen zu nennen. "Bitte, Herr, zwingt mich nicht, etwas gegen die Regeln des Palastes zu tun", bat er mit flehendlicher Stimme.

Abavon seufzte auf. Seine Worten hatten keinen Erfolg gebracht. Marinus behandelte ihn weiterhin wie jemanden, der weit über ihm stand. Langsam richtete er sich wieder auf, zog den Jungen hoch und schob ihn zu dem kunstvoll geschnitzten Tisch und drückte ihn auf einen der bequemen Stühle. "Ich bin kein Herr", erklärte er. "Ich bin nur ein einfacher junger Mann, der durch die Gegend zieht und durch einen Zufall an deinen Schlüssel gekommen ist. Versuch mich als Freund zu sehen, Marinus und nicht als deinen Herrn!"

Marinus nickte, die Augen immer noch weit aufgerissen. "Soll ich..... wollt Ihr etwas trinken, Herr?", fragte er und stand schnell auf, lief zu dem kleinen Tisch an der Seite, auf dem ein Krug mit frischem Wasser und mehrere Gläser standen. "Oder wollt Ihr lieber Wein?"

Abavon gab es auf. Der Junge war auf das Herr geschult worden und er würde sich wohl eher die Zunge abbeißen, als ihn bei Namen zu nennen. "Wasser ist in Ordnung", antwortete der junge Magier und setzte sich auf den anderen Stuhl. Verzweifelt fuhr er sich mit allen zehn Fingern durchs Haar. Irgendwie musste er das Vertrauen des Jungen gewinnen und ihn dazu bringen, ihn nicht als seinen Herrn anzusehen. "Wie alt bist du, Marinus?", fragte er, wieder die normale Anrede benutzend.

Er reichte Abavon das Glas mit dem Wasser und beantwortete dessen Frage. "16 Sommer, Herr. Ich werde nächsten Monat 17."

Soeben waren die Worte der Herrin bestätigt worden und Abavon schluckte leicht. Zum Glück konnte dies nicht auffallen, da er gerade Wasser trank. "Du bist wirklich erst sechzehn Jahre alt?", fragte Abavon leise und eher für sich selbst. "Erzähl mir von dir?"

"Was soll ich Euch erzählen, Herr? Mein Name ist Marinus, ich bin seit einem Jahr der Seepferdchen-Key. Ich lebe hier im Palast, seit man mich vor drei, na ja, fast vier Jahren vor dem Tor gefunden hat. Wie ich dahin gekommen bin weiß ich nicht, auch nichts aus meinem früheren Leben. Meine Erinnerungen setzten erst in dem Moment ein, als das Tor des Palastes aufging und die Herrin mich nach meinem Namen fragte. Sie nahm mich auf, ließ mich ausbilden und nun lebe ich hier." Da sein neuer Herr wollte, dass er ihn mit Namen ansprach, würde er wohl auch nichts dagegen haben, wenn er in seiner Gegenwart saß, deshalb hatte er sich auf sein Bett gesetzt, sich eines der Kissen genommen und umarmend an sich gedrückt. Nun sah er Abavon offen und neugierig an.

"Deine Ausbildung? Ich würde davon gerne mehr erfahren? Ich glaube, ich habe noch immer nicht so richtig verstanden, um was es hier wirklich geht." Abavon wollte sich einfach nicht mit dem Gedanken abfinden, dass der Junge gelernt hatte, wie man jemandem körperliche Freuden bereitete. Neugierig schaute er Marinus an, der so unerfahren und zurückhaltend wirkte.

Der Junge sah Abavon fragend an. Sein Holder wusste nicht, was es mit dem Palast und den Keys auf sich hatte? "Ich... ich habe gelernt, meinem Herrn Freude zu bereiten, ich kann recht gut singen, obwohl.... " Marinus schlug kurz die Augen nieder und kicherte, "...obwohl ich wohl momentan wohl noch nicht ganz durch den Stimmbruch bin und zur Zeit ziemlich schaurig krächze." Dann blickte er Abavon wieder an. "Ich kann tanzen, ein bisschen malen, lesen, schreiben...." Er legte den Finger an den Mund und überlegte. "Und ich beherrsche alle Techniken." Den letzten Satz hatte er nicht ohne einen gewissen Stolz gesagt.

Abavon lauschte neugierig und lächelte. Also war es hier eher wie in einer Schule und es war wirklich gut, dass Marinus lesen und schreiben konnte. So konnten sie auch in Kontakt bleiben, wenn der junge Magier einmal unterwegs war. Sein Gesicht wurde dunkel, als er etwas von Techniken hörte. Abavon erhob sich, ging auf Marinus zu, hockte sich vor ihn und legte die Hände auf die Knie vor sich. "Techniken, das höre ich nun schon zum zweiten Mal. Was hat es damit auf sich?"

Zuerst auf die Hände auf seinen Knien, dann in das Gesicht seines Holders blickend, blieb Marinus einen Moment stumm. Wusste sein Herr nicht, was er damit meinte?

"Ich kann Euch auf alle nur erdenklichen Weisen Lust bereiten, Herr. So, wie Ihr es wünscht." Marinus sah ihn groß an und wusste nicht, wie er es noch anders erklären sollte.

"Du..." Abavon überlegte kurz, kam aber auf keine anständige Formulierung und ließ es dann ganz sein. "Nun bin ich hier, Marinus und weiß gar nicht, was ich machen soll?"

Ein Aufleuchten ging über das Gesicht des jungen Keys. "Herr, Ihr habt sicher eine lange Reise hinter Euch. Wollt Ihr nicht ein schönes, entspannendes Bad nehmen? Das Badezimmer ist nebenan, wenn Ihr wollt, richte ich es für Euch." Das war etwas, auf das sich Marinus verstand und von dem er wusste, dass eigentlich alle Holder ein Bad genossen.

"Ein Bad, das klingt sehr verlockend." Abavon lächelte Marinus an und stemmte sich hoch. "Zeig mir dein Bad!", bat er und hielt dem Jungen die Hand hin. Er wollte unbedingt das Vertrauen des jungen Mannes gewinnen.

Lächelnd reichte ihm Marinus die Hand und hätte sie am liebsten sofort wieder zurückgezogen, denn er hatte das Gefühl, ein Blitz würde durch ihn hindurch rasen. Einen winzigen Augenblick sah er seinen Herrn entsetzt an, dann hatte er sich sofort wieder in der Gewalt und lächelte. "Kommt, Herr, ich zeige Euch das Bad." Fröhlich hopste er wie ein kleines Kind vor Abavon her und zog ihn ins Bad. Lachend drehte er sich einmal um sich selbst und zeigte mit weit ausgebreiteten Armen auf das riesige Bad, in dessen Mitte eine ebenso riesige Badewanne in den Boden eingelassen war. Überall standen riesige Pflanzen in Kübeln und die Fenster, die bis zum Boden reichten, waren teilweise mit seidenen Gardinen verhängt, so dass die Sonne zwar den Raum erhellen, aber nicht übermäßig erwärmen konnte. An den Wänden der Wanne, die mit exquisiten Mosaiken belegte waren, tummelten sich Seepferdchen in allen Größen, Formen und Farben. Auch die Wände des Raumes waren mit Seepferdchen-Motiven geschmückt.

"Willkommen im Reich der Seepferdchen!", lachte Marinus und trat dicht an Abavon heran. Langsam begann er, Abavons Hemd aufzuknöpfen.

Von dem Prunk vollkommen überrumpelt blieb Abavon stehen und schaute sich mit großen Augen um. Noch nie hatte er ein so wundervolles Bad gesehen. Selbst bei ihm zu Hause auf dem Landsitz seines Vater existierte nur ein einfacher Badezuber.
Der junge Magier bemerkte dadurch gar nicht, dass Marinus sich an seinem Hemd zu schaffen machte, erst als dieses schon offen war, bekam er es mit. Sofort hielt er die flinken, weichen Finger auf und schloss sie in seine. "Nicht, das kann ich alleine machen."

"Aber.... aber, Herr, das ist doch meine Aufgabe", versuchte Marinus zaghaft einzuwenden. Sein neuer Herr war wirklich eigenartig. Zuerst fragte er ihn, worin seine Ausbildung bestand, nun wollte er sich selber entkleiden. Was kam wohl als nächstes? Aber die warmen Hände des anderen ließen schon wieder die Blitze durch seinen Körper jagen. Außerdem kribbelten die Stellen, an denen sein Herr ihn berührte, eigenartig. Es war nicht unangenehm, aber so etwas hatte Marinus noch bei keinem Holder erlebt. Was war das nur?

"Deine Aufgabe ist es jetzt einfach nur bei mir zu sein", lächelte Abavon und gab die gepflegten Hände frei, damit er sich ausziehen konnte. Er schämte sich ganz sicher nicht wegen seiner Nacktheit und so störte es ihn auch nicht, dass der Junge anwesend war. "Wo kommt denn eigentlich das Wasser her?", fragte er neugierig.

"Der Palast besitzt eine eigene Quelle, die irgendwo unter dem Schloss entspringt. Wie es allerdings erhitzt wird, weiß ich nicht, Herr." Während er erzählte, hatte sich Marinus flink die Sachen vom Leib gezogen und war zu Abavon in die Wanne gestiegen, nach dem er ein Tablett mit verschiedenen Fläschchen und Phiolen neben das Becken gestellt hatte.

Mit großen Augen schaute Abavon auf den Jungen, der sich soeben auszog. Kein Wort verließ seinen Mund, auch nicht, als Marinus zu ihm in die Wanne stieg. Der junge Magier war einfach zu überrumpelt und verwirrt. "Was hast du vor?", erkundigte er sich mit trockenem Mund.

"Ich wollte Euch waschen, Herr", antwortete Marinus mit erstaunten Augen und hielt wie zur Antwort den Schwamm hoch und wies auf das Tablette neben der Wanne.

"Ähm, mich hat noch nie jemand gewaschen. Ich kann das auch alleine." Unruhig glitt Abavons Blick durch das riesige Bad. So langsam begriff er, was hier in diesem Schloss vor sich ging. "Aber, wenn du unbedingt möchtest und du es machen musst, um keinen Ärger zu bekommen, dann lass ich dich das gerne machen, Marinus."

"Es ist meine Aufgabe, Herr, und ich mache es gerne", erwiderte der Key lächelnd und drehte sich zu dem Tablett um. "Was bevorzugt Ihr? Rose? Lavendel? Zitrone? Oder lieber Meeresduft?" Fragend sah er Abavon an.

"Aufgabe?" Abavon seufzte leise. "Würdest du es bei jedem gern tun, egal wer jetzt hier vor dir sitzen würde?"

Abavon verstand es, Marinus vollkommen zu verwirren. Mit fragendem Blick wandte er sich wieder seinem Herrn zu. "Ich... ich verstehe nicht ganz, Herr. Ich bin ein Key, es ist meine Aufgabe, meinem Holder zu dienen und ihm den Aufenthalt hier im Meerespalast so angenehm wie möglich zu machen und dazu gehört es doch auch, dass ich Euch wasche." Wieso konnte sein Herr das nicht verstehen? Ihm als Key stand es doch nicht zu, darüber zu befinden, ob er eine Aufgabe gern tat oder nicht, er hatte es zu tun und damit hatte es sich. Bis jetzt hatte Marinus allerdings auch noch nie irgendeinen Grund zum Klagen gehabt, denn seine Holder waren immer sehr nett und vorsichtig mit ihm gewesen. Aber er hatte auch schon Geschichten von den anderen Keys gehört, dass einige Holder nicht zimperlich mit ihrem Key umgingen. Ganz besonders der Brandungs-Key hatte ihm erzählt, dass seine Holder ihn oft genug gefesselt hatten, was dieser allerdings als sehr erregend empfand. Marinus hatte damals nur den Kopf geschüttelt, denn seit man ihn während der Tätowierung seines Seepferdchens, welches er über dem rechten Knöchel trug, gefesselt und geknebelt hatte, hatte er eine unwahrscheinliche Angst davor, dass einer seiner zukünftigen Holder ihn eines Tages für irgendwelche Spielchen fesseln würde.

"Könntest du den Palast einfach verlassen, wenn du den Wunsch gegenüber deiner Herrin äußern würdest?" Abavon spürte, wie ihm die Vorstellungen, dass der Junge vor ihm auch mit anderen so umgehen und noch mehr tun würde, nicht gefielen. Am liebsten hätte er Marinus jetzt ein Handtuch umgeschlungen, ihn an sich gezogen und mit ihm zusammen den Palast verlassen, damit der Junge ein eigenes Leben führen konnte. Ein Leben, in dem er entscheiden konnte, mit wem er in die Wanne steigen wollte.



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