Diese Geschichte ist eine Antwort auf Norma Banzinis Geschichtenwettbewerb
BÄREN STREICHELN.


Ich mag keine haarigen Männer!


Ich mag keine haarigen Männer. Im Schwimmbad oder in der Sauna könnte ich mich jedes Mal schütteln, wenn ich so eine tierisch behaarte Brust sehe oder gar einen Kerl mit Haaren auf dem Rücken.

Ich weiß, sie können nichts dafür, es ist eine Laune der Natur, sie mit so vielen Hormonen auszustatten, dass ihnen dieser rudimentäre Pelz wächst. Aber es muss mir ja nicht gefallen. Ich selber bin zum Glück unbehaart und die wenigen Haare, die sich dann doch an einigen Stellen wie den Achseln zeigen, werden konsequent eliminiert. Auch das Schamhaar  wird ordentlich gekürzt und rasieren tu ich mich morgens ebenfalls gründlich und wenn ich am Wochenende ausgehe, dann auch noch mal am Abend. Ich finde nichts ekeliger, als wenn ich nach einem Kuss zerkratzt bin als wenn ich mit einer Drahtbürste geschmust hätte.

Aus diesen Gründen ist es für mich nicht leicht, einen Freund zu finden, denn wie es mit der Körperbehaarung eines Mannes aussieht, kann man ja schlecht durch die Kleidung erkennen. Gut, einen Bart sieht man gleich, die kann ich gleich aussortieren. Aber ob jemand Haare auf der Brust hat oder nicht, sieht man ja unter dem Hemd nicht.

Doch ich gebe nicht auf, eines Tages doch noch das Glück in Gestalt eines unbehaarten Mannes zu finden. Ich hab ja Zeit – denke ich. Mit 26 Jahre ist es noch nicht angebracht, in Torschlusspanik zu verfallen.

Das rede ich mir jedenfalls immer wieder ein, vor allem, wenn ich in einer Bar oder in der Disko diverse knutschende Pärchen sehe. Dann entringt sich mir schon mal ein frustrierter Seufzer.

Warum bin ich auch so wählerisch? Aber ich kann nun mal nichts gegen meine Natur tun, doch bei der Vorstellung, so einen behaarten Kerl anzufassen, schüttelt's mich einfach.

Trotz all dieser Vorbehalte ging ich an diesem Samstag Abend ins 'Gaylight', einem bekannten Schwulentreff in unserer Stadt. Gut, ich war nicht so unbedingt von dem vorherrschenden Publikum angetan, da dort hauptsächlich 'Lederkerle' verkehrten, aber hier konnte ich wenigstens sicher sein, auf Männer mit gleichen Präferenzen zu stoßen.

Schon als ich die Tür öffnete, fand ich das erste knutschende Pärchen, die allem Anschein nach aneinander festgewachsen. Natürlich trugen beide das unvermeidliche Leder, wenn auch in ziemlich spärlicher Ausführung, so dass viel Haut und fast noch mehr Brusthaare zu sehen waren. Mir lief eine Gänsehaut über den Rücken. An diversen knutschenden, fummelnden, aber nur sich unterhaltenden Paaren vorbei bahnte ich mir einen Weg zur Bar. Glücklicher ergatterte ich einen freien Platz und bestellte beim Bartender ein Glas Bitter Lemon.

Die 'Dienstbekleidung' der Bedienung hier war mindestens genauso freizügig wie die vieler Besucher und bestand aus einer schwarzen Hose – vorzugsweise knalleng und den Inhalt auf das appetitlichste präsentierend -, weißen Manschetten und einer schwarzen Fliege. Und die Jungs konnten sich sehen lassen! Sehr zu meiner Freude hatte der Bartender eine blanke, unbehaarte Brust. Er lächelte mir kokett zu, als er mir mein Getränk mit den Worten: "Ich hoffe, dein Getränk ist das einzig bittere an so einem süßen Typen.", hinstellte.

Mir fiel im ersten Moment der Unterkiefer runter, doch schnell hatte ich mich wieder gefasst und um meine Verwirrung zu überspielen nahm ich schnell einen Schluck.

Ob der Barkeeper das zu jedem Gast sagte? Oder konnte ich mir darauf was einbilden? Nein, mahnte ich mich, mach dir keine Hoffnungen. Der Kerl hat hier eine große Auswahl, wieso sollte er auf mich graue Maus abfahren?

Gut, ich sah nicht unbedingt hässlich aus mit meinem etwas über schulterlangen, blonden Haaren und den blauen Augen. Auch größenmäßig war ich mit einsneunzig etwas größer als Mittelmaß, aber doch wieder nicht so herausstechend.

Als ich sah, dass der Mann hinter der Theke einen weiteren Gast so verführerisch anlächelte, da wusste ich, dass das wohl sein normales 'Arbeitsverhalten' war und ich jegliche Hoffnung fahren lassen konnte. Ich besah mir den Typen, dem er gerade mit eben diesem hinreißenden Lächeln wohl einen Whiskey hingestellt hatte, wenn man mal nach der Form des Glases und der Farbe des Inhaltes ging. Um genaueres zu sagen, war die Entfernung zu groß, denn der Gast saß am anderen Ende der halbrunden Bar und damit ziemlich weit von mir entfernt.

Ein zweiter Blick offenbarte mir, dass er eh nicht in die engere Wahl kam, da er Bartträger war. Also ließ ich wieder meinen Blick sondierend schweifen, auf der Suche nach einem Partner – und wenn es nur für diese Nacht war.

Doch immer wieder bleib mein Blick an dem Bärtigen hängen. Wieso eigentlich? Ich hasste nichts mehr als Haare, vor allem auf Brust, Rücken und im Gesicht. Und der Typ hatte davon genug. Nein, um ehrlich zu sein, er trug zwar einen Vollbart, aber der war akkurat ausrasiert und korrekt getrimmt. Kein wallender Rauschebart, in dem man die Überreste der Mahlzeiten der letzten drei Tage finden konnte. Dafür war er zu kurz. Durch die Form erinnerte er mich an Commander Riker aus der Fernsehserie 'Star Trek'. Auch ihn fand ich faszinierend, obwohl er ja in späteren Folgen einen Bart trug. Vielleicht war es ja meine Vorliebe für diese Fernsehserie, die mich immer wieder zum Ende des Tresens sehen ließ.

Auch er blickte immer mal wieder zu mir rüber, was mich dann aber dazu veranlasste entweder schnell den Blick in mein Glas zu versenken oder scheinbar äußerst interessiert auf die Tanzfläche zu sehen, wo sich zum Teil höchst freizügige Kerle im Takt der Musik bewegten.

Der Typ am anderen Ende der Bar - ich hatte ihm im Stillen den Namen Will gegeben, wie Commander Riker in der Fernsehserie ja auch mit Vornamen hieß – war auch bekleidungsmäßig eine Ausnahme, denn er trug eine dunkle Stoffhose und ein helles Hemd. Irgendwie passte er in seinem gesamten Erscheinungsbild nicht hierher. Als ob er sich verlaufen hätte. Aber konnte man sich in eine Schwulen-Disko verlaufen? Vor der Tür standen nur Männer, zum Teil wild knutschend und auch der Name dieses Etablissements ließ keinen Zweifel über das, was hier zu finden war. Also konnte ich mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass Will schwul war. Ein Plus-Punkt für ihn, wenn nur nicht dieser Bart wäre!

Ich sah trotzdem fasziniert zu ihm rüber bis mir aufging, dass ich ihn anstarrte. Betroffen sah ich in mein leeres Glas. Plötzlich stellte mir der Bartender ein volles Glas Bitter Lemon hin. Er nickte in Richtung des Bärtigen und meinte: "Commander Riker gibt dir einen aus."

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